Erfolgreicher Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach §§ 9, 10 KSchG wegen leichtfertig unrichtigen Prozessvortrags des Arbeitnehmers
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat wie folgt entschieden (BAG, Urt. v. 24.08.2023 – 2 AZR 306/22 [aus den Entscheidungsgründen]):
„(…) Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Rechtsfehler gemeint, es habe darin ein Auflösungsgrund gelegen, dass die Klägerin durch ihren Prozessvortrag leichtfertig und ohne Bezug zur Bestandsstreitigkeit den nicht den Tatsachen entsprechenden Eindruck erweckt habe, die Beklagte habe vorsätzlich zu viele Stunden in das DATEV-System eingestellt, um Mandanten überhöhte Abrechnungen zu erteilen. Dieses Vorbringen sei allein in der Absicht erfolgt, die Beklagte herabzuwürdigen.
(…) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, das Vorbringen der Klägerin habe nach Wortlaut, sprachlichem Kontext und Begleitumständen (vgl. BVerfG 9. November 2022 – 1 BvR 523/21 – Rn. 15) nur dahin verstanden werden können, dass sie eine vorsätzliche Erhöhung abrechenbarer Zeiten durch die Beklagte in erheblichem Umfang (knapp 10.000,00 Euro) „zum Zwecke der Rechnungsstellung“ gegenüber den Mandanten habe suggerieren wollen.
(…) Die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO, diese Behauptung sei unwahr gewesen und für das Gegenteil hätten keine greifbaren Anhaltspunkte bestanden, hält einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Sie legt entgegen der Auffassung der Klägerin das Maß des Vollbeweises zugrunde und ist in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich (zum solchermaßen eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. 48).
(…) Soweit die Klägerin einwendet, das Landesarbeitsgericht habe ihrer grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit kein ausreichendes Gewicht beigemessen, verkennt sie, dass ihre vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei als unwahr angesehenen Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst sind (vgl. BAG 24. Mai 2018 – 2 AZR 73/18 – Rn. 17, BAGE 163, 36).
(…) Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte das betreffende Prozessvorbringen der Klägerin nicht treuwidrig iSv. § 242 BGB provoziert und die Klägerin sich von diesem nicht etwa distanziert, sondern noch im Schriftsatz vom 11. März 2022 an ihm festgehalten hat.“
(…) Das Landesarbeitsgericht hat die Abfindung nach Maßgabe von § 10 KSchG nicht rechtsfehlerhaft zu niedrig festgesetzt (zum eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. BAG 21. Juni 2012 – 2 AZR 694/11 – Rn. 38 ff., BAGE 142, 188). Entgegen der Annahme der Klägerin hat es die herabwürdigende Wirkung des haltlosen Kündigungsvorwurfs des Arbeitszeitbetrugs – und damit zugleich die grobe Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung – abfindungserhöhend berücksichtigt.“