Ein neues Arbeitszeitrecht kommt – die Arbeitszeit muss (elektronisch/digital) erfasst werden!
Das Arbeitszeitrecht in Deutschland muss sich ändern. Das steht schon seit dem Jahr 2019 fest. Im Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das entschieden (EuGH, Urt. v. 14.05.2019 – C-55/18 – Fall „CCOO“). Im Jahr 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar gemacht, dass es in Deutschland bereits eine allgemeine Pflicht aller Arbeitgeber gibt, die Arbeitszeit der Beschäftigten systematisch zu erfassen (BAG, Beschl. v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Das Gericht hat seine Auffassung unter anderem auf das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gestützt, genauer auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.
Nunmehr legt das Ministerium für Arbeit und Soziales einen Gesetzesentwurf eines reformierten bzw. zu reformierenden Arbeitszeitrechts vor. Wir informieren nachfolgend darüber.
Grundlage für unsere Informationen ist im Wesentlichen der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18.04.2023.
Stand: 9. Mai 2023
Frage 1: Liegt bereits ein neues Arbeitszeitrecht bzw. reformiertes Arbeitszeitgesetz in endgültiger Fassung vor?
Nein! Es gibt bislang lediglich einen Gesetzesentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (sog. Referententwurf vom 18.04.2023, nachfolgend „RefE-ArbZG). Es bedarf also noch eines weiten Weges auf dem Weg hin zu einem „fertigen“ Gesetz. Zunächst soll es in einem weiteren Schritt zu einer Abstimmung innerhalb der Bundesregierung kommen.
Frage 2: Stehen die Inhalte des Gesetzes schon fest?
Nein! Das ergibt sich bereits aus der Antwort auf Frage 1. Es ist zu erwarten, dass im Rahmen des politischen Willensbildungsprozesses ein ganze Reihe von Änderungen gegenüber dem bisherigen Gesetzesentwurf in die endgültige Fassung des Gesetzes einfließen werden.
Frage 3: Warum bedarf es angesichts der Entscheidungen von EuGH und BAG überhaupt einer Reform des Gesetzes?
Die eingangs zitierten Entscheidungen von EuGH und BAG enthalten letztlich nur Handlungsaufträge an den Gesetzgeber. Das betrifft insbesondere das Urteil des EuGH. Zwar hat der Beschluss des BAG die Frage nach der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung dem Grunde nach beantwortet. Dennoch blieben und bleiben auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG bislang eine ganze Reihe von Fragen offen. Es besteht nach ganz überwiegender Auffassung ein unabwendbarer Bedarf nach Präzisierung des durch das BAG vorgegebenen rechtlichen Rahmens. Diese Präzisierung soll durch den als Referentenentwurf vorgelegten Gesetzestext erfolgen.
Frage 4: Gibt es nicht bereits eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung?
Nein, zumindest gibt es keine generelle und gesetzlich ausdrücklich geregelte Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung. Eine solche ist aktuell ausschließlich für bestimmte Sachverhalte spezialgesetzlich vorgesehen, so beispielsweise nach § 17 Abs. 1 MiLoG, § 19 Abs. 1 AEntG.
Frage 5: Welche Ziele werden mit dem Referentenentwurf zum neuen Arbeitszeitrecht verfolgt?
Ausgehend von den vorstehend genannten Entscheidungen des EuGH und des BGH skizziert der Referentenentwurf zunächst das Problem, dass die Arbeitszeiten im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung in den vergangenen Jahren flexibler geworden seien und demzufolge der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zukomme. Die Erfassung der Arbeitszeiten erleichtere dem Arbeitgeber insoweit die Kontrolle der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und der Mindestruhezeiten und leiste einen Beitrag, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer flexiblen Arbeitswelt zu gewährleisten.
Im Referentenentwurf heißt es unter der Überschrift „Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen“ (Seite 8 f.):
„Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bildet den öffentlich-rechtlichen Rahmen für die Arbeitszeitgestaltung und ist ein Instrument des sozialen Arbeitsschutzes. Ziel des Arbeitszeitgesetzes ist insbesondere, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten. Regelungen zur Arbeitszeit und weitere Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen enthält das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Es schützt Kinder und Jugendliche vor Arbeit, die zu früh beginnt, zu lange dauert, zu schwer ist, Kinder und Jugendliche gefährdet oder für sie ungeeignet ist.
Die Arbeitszeiten sind im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung in den vergangenen Jahren immer flexibler geworden. Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt muss aber verhindert werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgebeutet werden oder sich selbst ausbeuten und darüber die Sicherheit und Gesundheit für sich selbst oder andere gefährden. Insoweit kommt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zu. Anhand der Erfassung kann die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Pausen nachgehalten werden.
Nach der Arbeitszeitbefragung 2021 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz berichten Beschäftigte mit Arbeitszeiterfassung seltener von sehr langen, tatsächlichen Wochenarbeitszeiten von über 48 Stunden pro Woche als Beschäftigte ohne Arbeitszeiterfassung. Bei Beschäftigten mit Arbeitszeiterfassung treten auch seltener verkürzte Ruhezeiten auf; außerdem kommt es seltener zu Pausenausfällen. Beschäftigte mit Arbeitszeiterfassung arbeiten zudem seltener an Sonn- oder Feiertagen als Beschäftigte, deren Arbeitszeiten nicht erfasst werden (vgl. Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021, S. 64).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Der Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Dabei bezieht sich das BAG auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie) betrifft. Die bisherige Regelung in § 16 Absatz 2 ArbZG, nach der lediglich der Umfang der werktäglichen Arbeitszeit, die über acht Stunden hinausgeht, sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen ist, genügt den Vorgaben des BAG und des EuGH nicht.
Nach der BAG-Entscheidung ist das Urteil des EuGH aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes bereits heute von den Arbeitgebern in Deutschland zu beachten. Damit hat das BAG die Frage des „Ob“ der Arbeitszeitaufzeichnung entschieden. Bezüglich des „Wie“ der Aufzeichnung bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten; es ist Aufgabe des Gesetzgebers diese Unsicherheiten zu klären.
Der EuGH hat in seinem Urteil nicht nur die für erwachsene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Arbeitszeitrichtlinie ausgelegt, sondern seine Entscheidung auch auf die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie sowie auf Artikel 31 Absatz 2 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union gestützt, die sowohl für Erwachsene als auch für die Beschäftigung Jugendlicher gelten. Die Aufzeichnung der Arbeitszeit ist somit auch im Jugendarbeitsschutzgesetz zu regeln.“
Frage 6: Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen soll zukünftig elektronisch erfasst werden – ist das richtig?
Das kommt darauf an. Grundsätzlich sieht § 16 Abs. 2 RefE-ArbZG die allgemeine Verpflichtung vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit elektronisch aufzuzeichnen. Damit geht der Referentenentwurf über die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts in dessen Beschluss vom 13. September 2022 hinaus. Aber es gibt Ausnahmen.
Frage 7: Welche Ausnahmen sind hinsichtlich der elektronischen Erfassung der Arbeitszeit im Referentenentwurf vorgesehen?
Gemäß § 16 Abs. 7 Nr. 1 RefE-ArbZG können in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung Ausnahmen zugelassen werden, dass die Aufzeichnung in nichtelektronischer Form erfolgen kann.
Frage 8: Gibt es Ausnahmen mit Blick auf die Betriebsgröße des Arbeitgebers? Gibt es eine sog. Kleinbetriebsklausel?
Ja und nein! Nicht insoweit, als dass eine vollständige Entpflichtung des Arbeitgebers von der Erfassung der Arbeitszeiten erfolgt. Eine solche umfassende Freizeichnung sieht der Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand vom 18.04.2023 nicht vor. Der Arbeitgeber verantwortet grundsätzlich die Erfassung der Arbeitszeit (vgl. hierzu auch Frage 14). § 16 Abs. 8 S. 3 RefE-ArbZG sieht aber eine Ausnahme dahingehend vor, dass eine Aufzeichnung der Arbeitszeit in Kleinbetrieben (nicht mehr als 10 Arbeitnehmer) in nichtelektronischer Form, also auch händisch erfolgen darf.
Frage 9: Kehrt die Stechuhr zurück?
Nein! Das fordert niemand. Das verlangen auch EuGH und BAG nicht, mit keiner Silbe. Der Begriff „Stechuhr“ ist eher ein Wort, das in der politischen Diskussion über die Reform des Arbeitszeitrechts verwendet wird. Das Wort wird vor allem von denjenigen gebraucht, die sich gegen eine systematische Erfassung der Arbeitszeit der Beschäftigten in Deutschland aussprechen. Mit der „Stechuhr“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Arbeitszeit mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden sein soll.
Frage 10: Was soll nach dem Gesetzesentwurf aufgezeichnet werden?
Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sind aufzuzeichnen.
Frage 11: Müssen Ruhe- und Pausenzeiten ebenfalls aufgezeichnet werden?
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bezieht sich gem. § 16 Abs. 2 S. 1 RefE-ArbZG ausschließlich auf Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Daraus ableitbar ist die Einhaltung der Ruhezeit. Die Pflicht zur Einhaltung von Ruhepausen ist bereits in § 4 ArbZG geregelt; eine Pflicht zur Aufzeichnung von Pausenzeiten hingegen sieht das Gesetz auch derzeit grundsätzlich nicht vor: hieran ändert der Referentenentwurf nichts. Es bleibt demnach dabei, dass Pausen nicht aufzuzeichnen sind.
Frage 12: Wann hat die Aufzeichnung zu erfolgen?
Grundsätzlich hat die Aufzeichnung nach § 16 Abs. 2 S. 1 RefE-ArbZG bereits am Tag der Arbeitsleistung zu erfolgen. Mit dieser grundsätzlichen Regelung weicht der Gesetzgeber von der Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 MiLoG ab, nach der eine Aufzeichnung der Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages genügt. Auch an diesem Punkt tritt zu Tage, dass der Einfluss von Tarifparteien nach dem Willen des Gesetzgebers gestärkt werden soll. So sieht § 16 Abs. 7 Nr. 2 eine weitere Ausnahmeregelung vor; demnach können die Tarifpartner vereinbaren, dass die Aufzeichnung an einem anderen Tag erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages. Ob es im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu einer generellen Harmonisierung der Vorschriften kommen wird, bleibt abzuwarten.
Frage 13: Darf die Erfassung der täglichen Arbeitszeit delegiert werden?
Ja, diese Möglichkeit sieht der Referentenentwurf vor. Gemäß § 16 Abs. 3 RefE-ArbZG kann die Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten (Arbeitnehmer, Vorgesetzte u. ä.) erfolgen.
Frage 14: Bedeutet die Möglichkeit der Delegation, dass der Arbeitgeber von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung frei wird?
Ja und nein. Der Arbeitgeber muss nicht selbst aufzeichnen, bleibt aber nach § 16 Abs. 3 RefE-ArbZG für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Gemäß Abs. 4 von § 16 hat er sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen bekannt werden. Es bleibt also dabei, dass der Arbeitgeber in der Pflicht ist, ein geeignetes System zu implementieren und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu überwachen.
Frage 15: Was wird jetzt aus der Vertrauensarbeitszeit?
Nichts! Es dürfte sich an der bestehenden Rechtslage nichts ändern. Soweit mit dem Begriff der Vertrauensarbeitszeit eine flexible Regelung der Lage der Arbeitszeit (Beginn und Ende) gemeint ist, bleibt alles so wie bisher. Das aktuell maßgebliche Arbeitszeitrecht ermöglicht Vereinbarungen über eine flexible Lage der Arbeitszeit, der Arbeitgeber vertraut darauf, dass der Arbeitnehmer seiner vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt. Eine Vertrauensarbeitszeit, die die Arbeitszeit des jeweiligen Arbeitnehmers rein am Arbeitserfolg ausrichtet, war und ist illegal!
In Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit muss der Arbeitgeber von der Möglichkeit nach § 16 Abs. 3 RefE-ArbZG Gebrauch machen, die Aufzeichnung an den Arbeitnehmer zu delegieren. Dies sollte unserer Einschätzung nach im Arbeitsvertrag oder bei bestehenden Arbeitsverträgen durch einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag geregelt werden, dies auch mit Blick auf § 2 Abs. 1 NachwG.
Im Referentenentwurf heißt es zur Möglichkeit der Delegation (Seite 13):
„Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer können eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit vereinbaren. In diesem Fall verzichtet der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Er ´vertraut´ dabei darauf, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer der vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt, ohne dieses zu überprüfen. Einzuhalten sind jedoch die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes. Arbeitszeitaufzeichnung und ´Vertrauensarbeitszeit´ schließen sich nicht aus. Insbesondere eine elektronische Aufzeichnung erleichtert es dem Arbeitgeber, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen.
In Absatz 4 [gemeint ist § 16 Abs. 4 RefE-ArbZG] wird geregelt, dass der Arbeitgeber bei ´Vertrauensarbeitszeit´ sicherstellen muss, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies kann zum Beispiel durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Durch die Regelung wird die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit nicht entbehrlich, Arbeitgeber erhalten jedoch die notwendige Rechtssicherheit für die Arbeitszeitaufzeichnung, wenn sie bei vereinbarter ´Vertrauensarbeitszeit´ auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichten. Denn das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2003 entschieden, dass der Arbeitgeber auch bei Vertrauensarbeitszeit seinen Betrieb derart zu organisieren hat, dass er die Einhaltung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gewährleisten kann (BAG 6.5.2003 – Az. 1 ABR 13/02).
Auch bei ´Vertrauensarbeitszeit´ hat der Arbeitgeber die Aufzeichnungen der gesamten Arbeitszeit seiner Beschäftigten mindestens zwei Jahre aufzubewahren, um sie etwa für aufsichtsbehördliche Prüfungen, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren oder auf Verlangen des Betriebsrates vorlegen zu können. Eine Aufbewahrung lediglich von elektronischen Mitteilungen über Verstöße gegen gesetzliche Regelungen würde diesem Zweck nicht entsprechen. Nur in der Gesamtschau kann festgestellt werden, ob Mehrarbeit innerhalb der vorgeschriebenen Ausgleichszeiträume ausgeglichen wird.“
Frage 16: Sind Zeiten der Rufbereitschaft aufzuzeichnen?
Rufbereitschaft zählt nicht als Arbeitszeit und unterliegt demnach nicht der Aufzeichnungspflicht. Etwas anderes gilt aber im Falle der sog. Heranziehungszeit, nämlich der Zeit, zu der der Arbeitnehmer tatsächlich während der Rufbereitschaft arbeitet. Die Heranziehungszeit ist Arbeitszeit und unterliegt als solche der Aufzeichnungspflicht.
Frage 17: Wird ein Arbeitgeber, der keine Arbeitszeiterfassung durchführt, bestraft?
Ja und nein. Eine Bestrafung im eigentlichen Sinne ist nicht vorgesehen, die Nichtbeachtung der Aufzeichnungspflicht ist jedoch bußgeldbewährt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Aufzeichnungspflicht in dem genannten Beschluss aus dem ArbSchG hergeleitet, Verstöße sind dort insoweit nicht sanktioniert (vgl. Frage 22). Nach dem RefE-ArbZG soll sich dies nun ändern. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Siehe dazu § 22 Abs. 1 Nr. 9 und 10 RefE-ArbZG.
Frage 18: Wird es bei der Einführung des neuen Arbeitszeitrechts eine Übergangsfrist geben?
Ja und nein. Ja, grundsätzlich findet sich in § 16 Abs. 8 Arbeitszeitgesetz-E eine Übergangsfrist von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes. Neben dieser allgemeinen Übergangsfrist gibt es weitere Übergangsfristen, die sich nach der Anzahl der beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen richten. So ist vorgesehen, dass für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern eine Übergangsfrist von 2 Jahren gilt, innerhalb derer der Arbeitgeber die Arbeitszeiten in nicht elektronischer Form aufzeichnen darf. Für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern soll diese Frist 5 Jahre betragen.
Frage 19: Was gilt bei sog. Kleinbetrieben?
Bei Kleinbetrieben, d.h. wenn der Arbeitgeber regelmäßig bis zu zehn Arbeitnehmer beschäftigt, darf die Arbeitszeiterfassung grundsätzlich in nicht elektronischer Form, also insbesondere auch händisch etwa mittels Stundenzetteln erfolgen.
Frage 20: Was gilt bei im Privathaushalt beschäftigten Arbeitnehmern?
In diesen Fällen darf die Arbeitszeiterfassung in nichtelektronischer Form erfolgen.
Frage 21: Wann ist mit einer endgültigen Fassung des neuen Arbeitszeitrechts zu rechnen?
Das kann heute seriös nicht gesagt werden. Es ist damit zu rechnen, dass der durch das zuständige Ministerium vorgelegte Entwurf noch zahlreiche Änderungen erfahren wird (siehe dazu auch oben unsere Antwort auf Frage 2).
Frage 22: Dürfen Arbeitgeber aktuell untätig bleiben und mit der Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zuwarten, bis ein neues Arbeitszeitgesetz in Kraft getreten ist?
Nein! Die an die Arbeitgeberseite gerichtete Verpflichtung besteht bereits zum jetzigen Zeitpunkt. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 verbindlich festgestellt, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aufzuzeichnen ist. Laut BAG ist dies aktuell geltendes Recht. Verstöße gegen diese bereits bestehende Pflicht sind jedoch derzeit nicht sanktioniert, sodass wir hier (noch) von einem „zahnlosen Tiger“ sprechen dürfen.
Frage 23: Wer kontrolliert, ob der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommt?
Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutzgesetz sind Bundesgesetze. Die Überwachung der Bestimmungen der Gesetze ist jedoch Aufgabe der Bundesländer. Diese und die nach Landesrecht bestimmten Arbeitsschutzbehörden (z.B. die Gewerbeaufsichtsämter) sind für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zuständig und können deshalb verbindliche Entscheidungen im Einzelfall treffen.
Frage 24: Gibt es hinsichtlich der Arbeitszeitaufzeichnungen Aufbewahrungsfristen?
Ja, die Frist beträgt grundsätzlich zwei Jahre.
Frage 25: Gibt es nach dem Referentenentwurf neben dem Arbeitszeitgesetz auch noch Änderungen in anderen Gesetzen?
Ja, insbesondere soll es Änderungen im Jugendarbeitsschutzgesetz, dort § 49a und § 58 des Gesetzes, geben. § 49a des Entwurfs eines geänderten Jungendarbeitsschutzgesetzes lautet:
„§ 49a
Arbeitszeitaufzeichnung
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.
(2) Die Aufzeichnung nach Absatz 1 kann durch den Jugendlichen oder einen Dritten erfolgen; der Arbeitgeber bleibt für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich.
(3) Der Arbeitgeber hat den Jugendlichen oder den Personensorgeberechtigten auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit des Jugendlichen nach Absatz 1 zu informieren. Er hat dem Jugendlichen oder dem Personensorgeberechtigten auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen.
(4) Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, die für die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften erforderlichen Aufzeichnungen im Inland für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Jugendlichen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre in deutscher Sprache bereitzuhalten. Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten, bei Bauleistungen auf der Baustelle.
(5) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, dass
- die Aufzeichnung abweichend von Absatz 1 in nichtelektronischer Form erfolgen kann,
- die Aufzeichnung an einem vom Tag der Arbeitsleistung abweichenden Zeitpunkt erfolgt, der sieben Kalendertage nach dem Tag der Arbeitsleistung nicht überschreiten darf.
(6) Abweichend von Absatz 1 kann ein Arbeitgeber bis zum … [einsetzen: Angaben des Tages und Monats des Inkrafttretens dieses Gesetzes sowie der Jahreszahl des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres] die Arbeitszeit in nichtelektronischer Form aufzeichnen. § 16 Absatz 8 Satz 2 bis 4 des Arbeitszeitgesetzes findet Anwendung.“