Betriebsschließung wegen Corona - Entschädigungsansprüche für Verdienstausfälle wegen generellen Verboten durch Allgemeinverfügungen?
Das Problem
Die mittlerweile flächendeckende Schließung von Geschäften, gastronomischen Betrieben, Vergnügungsstätten etc. in Deutschland kam plötzlich. Die Unternehmer hatten keine Chance zur Vorbereitung. Ob dies im gleichen Maße für den Gesetzgeber gilt, scheint angesichts mehrerer Epidemien, deren Ausbreitung auf Deutschland in den letzten Jahren als mögliche Szenarien prognostiziert wurden, und die 2013 dem Bundestag vorgelegte Studie Modi-Sars
nicht zweifelsfrei. Zeit und stabile Parlamentsmehrheiten zur präventiven Optimierung der gesetzlichen Regelungen standen hiernach jedenfalls zur Verfügung. Betroffene Unternehmer fragen sich daher zu Recht, ob sie sich nun wegen der entstandenen und drohenden Verdienstausfälle mit verhältnismäßig geringen Soforthilfen bei Existenzgefährdung zufrieden geben müssen. Die Entschädigungsregel des § 56 IfSG scheint die Frage mit einem bitteren Ja
zu beantworten. Wer Corona nicht selbst zumindest als Verdachtsfall im Betrieb hat und deshalb sein Verbot nicht individuell adressiert bekommt, sprich der gesunde
Unternehmer mit gesunder Belegschaft, bekommt nach dem Gesetzeswortlaut nichts.
Die Lösung
Eine analoge Anwendung des § 56 IfSG auf die infektionsrechtlich gesunden
Unternehmen über den engen Wortlaut hinaus scheint diskutabel. Schließlich ergibt sich aus dem Wortlaut des § 28 IfSG auch die Befugnis zur flächendeckenden Untersagung von Geschäften in gesunden
Unternehmen ohne Einzelfallprüfung nicht zwingend. Der VGH München hat zwar mit Beschluss vom 30.03.2020 – 20 CS 20.611 – mit beachtlichen gesetzeshistorischen Argumenten einen weiten Anwendungsbereich und hiernach die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Bayerischen Allgemeinverfügung festgestellt. Ob der Gesetzgeber damals allerding derartige Maßnahmen im Blick hatte, scheint nach den Materialien zumindest fragwürdig. Folgt man dem VGH, wird man bei Entschädigungsansprüchen der betroffenen Unternehmer wohl die Frage zu klären haben, warum das vom Virus konkret betroffene Unternehmen entschädigt werden und das gesunde Unternehmen auf seinem Schaden sitzen bleiben soll. § 56 IfSG gewährt schließlich keine Infektionsprämie! Eine Klage auf Entschädigung unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Gebot der verfassungskonformen Auslegung des § 56 IfSG im Sinne einer analogen Anwendung scheint jedenfalls nicht augenfällig aussichtslos. Da sie nach § 68 Abs. 1 IfSG auf dem ordentlichen Rechtsweg zu erheben wäre, könnte hilfsweise auch ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden, der allerdings wegen der komplexen Voraussetzungen und wertungsoffenen (§ 252 BGB, § 287 ZPO) Rechtsfolge der wohl steinigere
Weg werden dürfte.
Der Tipp vom Anwalt
Betroffene Unternehmer sollten einen Antrag nach § 56 IfSG fristwahrend (3 Monate gem. § 56 Abs. 11 IfSG ) stellen. Wer darüber hinaus seine Klagechancen mit Blick auf die Amtshaftung nach § 839 BGB optimieren will, sollte einstweiligen Rechtsschutz gegen die Allgemeinverfügung jedenfalls dann beantragen, wenn deren Rechtmäßigkeit noch nicht wie in Bayern obergerichtlich bestätigt ist. Betriebliche Rechtsschutzversicherungen dürften das Klagerisiko regelmäßig abdecken.