Besteht ein Stimmverbot des betroffenen geschäftsführenden Gesellschafters bei der Anordnung einer GmbH-Sonderprüfung?
Ja, meint das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (OLG Brandenburg, Urt. v. 18.05.2022 – 7 U 89/21, NJW-Spezial 2022, 400). In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es:
„Der Gesellschafter H… S… war nicht berechtigt, an der Abstimmung über den Antrag auf Anordnung der Sonderprüfung teilzunehmen.
Ein Gesellschafter hat nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft, kein Stimmrecht. Die Vorschrift soll verhindern, dass ein Gesellschafter, der bei einer Abstimmung nicht nur das Verbandsinteresse, sondern auch ein Eigeninteresse im Blick haben würde, unter diesem Interessenkonflikt die Möglichkeit haben soll, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen. Die in § 47 Abs. 4 GmbHG geregelten Fälle sind dabei weit auszulegen und der Analogie fähig (BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, juris Rn 11; Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, juris Rn. 11). Die Anordnung einer Sonderprüfung mit dem Ziel der möglichen Geltendmachung von Ersatzansprüchen stellt, wie das Landgericht zutreffend ausführt, eine Situation dar, die der Analogie zugänglich ist. Die Beschlussfassung dient der Kontrolle; es liegt nahe, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer sein Anliegen, das eigene Ansehen zu schützen und ein Haftungsrisiko zu meiden, bei der Abstimmung nicht unberücksichtigt lässt (Baumbach/Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 142; Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 116, MüKoGmbHG/Drescher, § 47 GmbHG Rn. 177).
Aber auch soweit die Weisung, dass der Geschäftsführer den Jahresabschluss zum 31.03.2019 erstellen soll und die Prüfung dieses Jahresabschlusses Gegenstand der Beschlussfassung ist, findet der Stimmrechtsausschluss Anwendung. Auch die Beschlussfassung über die Prüfung des Jahresabschlusses 2018/2019 dient der Kontrolle der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers H… S…. Dass zudem die Weisung, den Jahresabschluss zu erstellen, mit in den Beschlussantrag aufgenommen worden ist, hat die ebenfalls auf die Kontrolle der Tätigkeit gerichtete Funktion, klarzustellen, dass die Aufstellung nicht verzögert werden soll. Die Frist für die Erstellung war bei der Beschlussfassung am 24.05.2019 noch nicht abgelaufen (3 Monate nach Ende des Geschäftsjahres, § 264 Abs. 1 HGB, hier ab dem 31.03.2019). Da es sich um eine Überwachungs- und Kontrollmaßnahme gegen den Geschäftsführer handelt, war auch insoweit das Risiko eines Interessenkonflikts im Vorfeld der Abstimmung gegeben. Auch dieser Teil des Beschlusses unterliegt danach dem Stimmrechtsausschluss entsprechend § 47 Abs. 4 GmbHG.
Der Stimmrechtsausschluss des Geschäftsführers H… S… ist auch nicht durch § 8 Abs. 4 GV abbedungen. Die Regelung sieht vor, dass der Stimmrechtsausschluss nur gilt, soweit er gesetzlich oder im Gesellschaftsvertrag zwingend vorgesehen ist. Der Stimmrechtsausschluss im Verbandsinteresse zum Ausschluss möglicher Interessenkonflikte ist als unabdingbar anzusehen, weil die Gesellschaft sonst den Interessen ihres Gesellschafters ausgeliefert wäre (MüKoGmbHG/Drescher, § 47 GmbHG Rn. 214; OLG Hamm, GmbHR 1993, 815; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 173).“