Besteht ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Zustimmung der Gemeinschaft zur Errichtung eines sog. Balkonkraftwerks?
Nein, meint das Amtsgericht (AG) Konstanz (AG Konstanz v. 9.2.2023 – 4 C 425/22 WEG). In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Negativbeschluss zu TOP 3 verstößt weder gegen die ordnungsmäßige Verwaltung (§§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 WEG) noch sonst gegen Gesetze. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Genehmigung des Balkonkraftwerkes. Daher war auch der Beschlussersetzungsantrag abzuweisen. Da der Ermächtigungsbeschluss zu TOP 2 ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und bestimmt genug ist, ist die Klage auch insoweit unbegründet.§ 20 Abs. 1 WEG enthält eine sogenannte Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage dar (OLG Köln NZM 2002, 1033, siehe auch Rechtsprechungsnachweise bei Bärmann, Kommentar zum WEG, 14. Aufl, § 22, 38). Ein Eingriff in die Substanz ist hierzu nicht erforderlich. Die Anlage wurde daher illegal angebracht.
Es besteht auch keine Ermessensreduzierung auf Null, d. h., die Zustimmung zu der Anlage ist nicht die einzig vertretbare Möglichkeit: Bei der nachfolgenden Prüfung kommt es nicht auf den Maßstab von § 20 Abs. 4 WEG an (a.A. Kroiß/Bruns u.a., Formularbuch Miete, WEG Nachbarschaft, beck-online RN 282), d. h. es bleibt irrelevant, dass die Wohnanlage (nicht) grundlegend umgestaltet wird oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen (nicht) unbillig benachteiligt werden. Abs. 4 soll nicht dem veränderungswilligen Eigentümer unterstützen, sondern stellt im Gegenteil eine Veränderungssperre dar, wann eine bauliche Umgestaltung keinesfalls erfolgen darf (statt vieler: Hügel/Elzer, Kommentar zum WEG, 3. Auflage, § 20, 147, Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, RN 1008).
Auch aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG kann nicht hergeleitet werden, dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden darf. Die Bundestagsdrucksache und die Bundesratsdrucksache führen in ihren Gesetzesbegründungen aus (BT-Drucks. 19/18791 Seiten 63-64, BR-Drucks. 168/20, Seiten 69-70), dass alles bezogen auf das Aufladen eines Fahrzeuges ermöglicht werden soll. Bedenkt man, dass ein solches Photovoltaikmodul einen mindest ebenso großen Eingriff darstellt, dann wäre dies gewiss gesondert ausgeführt worden. Eine solche Solaranlage ist daher nicht ein Annex zur privilegierten E-Mobilität. Auch kann keine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 S. 1 und insbesondere dort Nr. 2 WEG erfolgen. Geht man zu den Anfängen der letzten WEG-Reform zurück, wird man finden, dass diese zunächst viel kleiner geplant war, ohne grundsätzliche strukturelle Umgestaltungen (siehe nur Lehman-Richter/Wobst RN 3). Das ursprüngliche Anliegen waren die sogenannten Wall-Boxen. Dies kann auch noch dem Wortlaut des Änderungsgesetzes entnommen werden, welches heißt: ´Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von Kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften´. Es ging konkret um den Klimaschutz also nur, soweit Autos Zuhause aufgeladen werden können. Findet man nun in der Literatur unter den Stichworten ´entsprechende Anwendung´ und ´Klimaschutz´ Ausführungen dazu, dass hier auch weitere privilegierte bauliche Veränderungen unter Berücksichtigung von verfassungsrechtlichen und auch systematischen Gründen sowie § 555b BGB darunter zu subsumieren seien (Hügel/Elzer § 20, 98 und 103), so ist dies rechtlich nicht haltbar. Nicht im Ansatz erfolgt eine Auseinandersetzung damit, wann eine Gesetzesanalogie erfolgen darf. Nach der BGH-Rechtsprechung (siehe nur BGHZ 213, 136), bedarf es einer planwidrigen Gesetzeslücke und der Wertung, dass deshalb der Gesetzestext unvollständig ist (a.A. zuletzt Würdinger NJW 2023, 190). Eine solche Lücke ist hier nicht erkennbar. Rechtspolitische Erwägungen, so überzeugend sie sein mögen, genügen nicht. Für den Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, in § 20 WEG einen eigenen Absatz ´Klimaschutz´ als allgemein privilegiert aufzunehmen. Stattdessen blieb es bei dem in keinerlei inneren Zusammenhang stehenden Sammelsurium von § 20 Abs. 2 S. 1 WEG (LG Frankfurt WuM 2021, 397, Lehmann-Richter/Wobst RN 1881a, beck-onlineGK WEG, Stand 01.09.2022, § 20, 134 und 135). Der Gesetzgeber hätte auch den jetzigen § 20 Abs. 2 S. 1 WEG um konkrete weitere Vorhaben ergänzen können, die der Bekämpfung des Klimawandels dienen. Hierbei muss nicht nur an Photovoltaik- und Solaranlagen gedacht werden, energetische Dämmungen liegen ebenso nahe. Kleine Windkrafträder und Geothermie wären da schon ambitioniertere Vorhaben. Auch der Verweis auf das Grundgesetz verfängt nicht. Eine analoge Anwendung von Vorschriften ist dann möglich, wenn dadurch gesetzliche Schutzlücken geschlossen werden. Der Staat ist von verfassungswegen verpflichtet, (z.B. gleichheitswidrige) Schutzlücken zu verhindern. Für die Fachgerichte kann daraus die Pflicht erwachsen, Lücken mit den herkömmlichen Methoden der Auslegung und Lückenfüllung zu schließen (BVerfG NZM 2011, 355, bei juris RN 17). Wie soeben ausgeführt, führt die herkömmliche Auslegung samt der Analogieprüfung nicht zu dem von den Klägerinnen gewollten Ergebnis. Außerdem ist zu beachten, dass Art. 20a GG eine sogenannte Staatszielbestimmung darstellt und hieraus direkt keine subjektiven Rechte einzelner folgen (Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetzkommentar, Stand 09.2022, Art 20a, 31). Eine Ausnahme bei entsprechend vertieftem Vortrag ist allenfalls dann denkbar, wenn mittelbar doch ein Eingriff in Grundrechte erfolgt, richtet sich dann aber gegen den unterlassenden Gesetzgeber (s. Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 15.12.2022 zu 1 BvR 2146/22). Es ist aber nicht erkennbar, wie hier ein Wohnungseigentümer gegenüber dem verklagten Verband hieraus Rechte herleiten kann (mittelbare Drittwirkung von Grundrechten, BVerfGE 7, 198). Ein grundrechtlicher Anspruch auf eine bauliche Veränderung wie er nach altem Recht bejaht wurde (zur Parabolantenne: BVerfG NJW 1995, 1665), ist somit nicht ersichtlich (LG Itzehoe ZMR 2022, 495).Die Modernisierungsregelung für Mietwohnungen des § 555b BGB ist schon deshalb nicht anwendbar, weil es der Mieter selbst und nicht die Vermieterinnen waren, die das Balkonkraftwerk (mit Zustimmung der Vermieterinnen) installieren ließ.Nun eine Analogie aus dieser Vorschrift für das Wohnungseigentum herzuleiten scheitert auch daran, dass die entsprechende Öffnungsvorschrift nach § 22 Abs. 2 WEG a.F. nach der Gesetzesreform nicht mehr existiert. Auch hier besteht keine Regelungslücke. Es war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die komplizierte alte Regelung des § 22 WEG mit seinen verschiedenen Mehrheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten zu vereinfachen (siehe BT-Drucks. 19/18791, Seite 61 und 62, Lehmann-Richter/Wobst RN 953).Schließlich ist bei der Anwendung von § 555b Nr. 1 BGB problematisch, dass die Endenergie entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht konkret für die betroffene Wohnung eingespart wird, da hier der Strom in das Stromnetz des Hauses eingespeist wird (s. hierzu Schmidt-Futterer, Mieterecht, 15. Auflage, § 555b, 27).
Soweit allgemein auf den Grundsatz von Treu und Glauben unter Zitat einer Entscheidung des AG Stuttgart (WuM 2021, 483) zurückgegriffen wird, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen betrifft der dortige Sachverhalt einen Streit zwischen Mieter und Vermieter und wurde mangels einer gesetzlichen Vorschrift auf § 242 BGB zurückgegriffen. Hier gibt es jedoch mit § 20 WEG eine Spezialnorm. Außerdem wurde bei der schwäbischen Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass eine optische Störung dazu führen kann, dass der Vermieter die Anlage nicht zu dulden hat.Ebenso wenig folgt aus einer bayerischen Entscheidung etwas anderes (AG München WuM 1991, 537). Auch diese betraf ein Mietverhältnis und es erfolgte eine Prüfung des optischen Gesamteindrucks.Schließlich kann auch aus § 20 Abs. 3 WEG keine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Genehmigung eines Balkonkraftwerkes hergeleitet werden. Hier gilt die alte Rechtsprechung zu §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG a.F. unverändert fort (siehe BT-Drucks. 19/18791, Seite 65, drittletzter Absatz, Lehmann-Richter/Wobst RN 1209). In den Kommentaren wird dies teilweise nicht einmal ausdrücklich ausgeführt, sondern als selbstverständlich angenommen (so bei Hügel/Elzer § 20,124ff, beck-onlineGK WEG § 20, 184).Hiernach ist ein Nachteil jede konkrete, objektiv nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, von der sich ein Eigentümer beeinträchtig fühlen darf (BGHZ 116, 392, BGHZ 196, 45) und abzugrenzen von rein subjektiven Befindlichkeiten und belanglosen oder neutralen Veränderungen. Eine der Hauptgruppen, die von der Rechtsprechung entwickelt wurde, ist hierbei die Änderung des optischen Eindrucks. Inzwischen hat sich die Rechtsprechung dahingehend verfestigt, dass Änderungen am optischen oder ästhetischen Eindruck dann nachteilig sind, wenn sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung durch einen Vergleich Vorher – Nachher verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 196, 45). Die letztgenannte Entscheidung stellt auf eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ab (bei juris RN 4, siehe auch BVerfG NJW-RR 2005, 454), nicht – wie zuweilen falsch zitiert – auf eine optische Veränderung des Gesamteindrucks. Letzterer genügt allemal für die Bejahung des Nachteils (so die BGH-Entscheidung bei juris RN 5), ist aber nicht selbst der Maßstab. Wichtig ist diese Unterscheidung deshalb, weil es insbesondere bei großen Häusern einer massiven Veränderung bedarf, damit sich der Gesamteindruck der Außenfassade ändert. Nicht unerheblich ist eine Beeinträchtigung jedoch schon dann, wenn sie beim Blick dorthin, wo sie vorgenommen wurde, nachvollziehbar optisch stört.Voraussetzung ist stets, dass die Änderung generell von außen sichtbar ist. Auch ist die Schwelle für die Annahme einer Beeinträchtigung eher niedrig anzusetzen (s. beck-onlineGK WEG § 20, 192, ergibt sich auch aus der umfangreichen Kasuistik hierzu). Eine deutlich sichtbare Änderung der Optik ist daher stets nachteilig, unabhängig von der Verkehrsanschauung, dem Zeitgeschmack und insbesondere der Mehrheitsmeinung der Wohnungseigentümer (OLG Köln NZM 2000, 765, OLG Celle WuM 1995, 338, LG Hamburg ZWE 2010, 374).Konkret zu Veränderungen an Balkonen wurden schon als nicht hinnehmbare optische Veränderung eingestuft, die Überdachung, eine Pergola, die Verglasung, das Anbringen einer Markise, das Aufspannen eines Sonnensegels, eine Lichterkette außen am Balkon, die Überspannung eines Balkongitters mit Stoff oder Plane sowie Vogel- und Katzennetze (es sei verwiesen auf die bei Jennißen, WEG, 7. Auflage, § 20, 130 wiedergegebene Rechtsprechung). Auch wurde schon eine Solaranlage, die am Hauptgebäude auf dem Dach mit einer Fläche von 10 m² montiert wurde, kassiert (OLG München, NZM 2005, 825).Nach diesem Maßstab ist das hier streitgegenständliche schwarzen Paneel als Nachteil einzustufen. Seine Wahrnehmbarkeit ist erheblich. Dies ergab die Beweisaufnahme durch in Augenscheinnahme der Lichtbilder AS 19 – 20. Schaut man sich zunächst das obere Lichtbild AS 19 an, so muss man die streitgegenständliche Photovoltaikanlage suchen. Dies liegt daran, dass die fotografierte Front zu mehreren Dutzend Wohnungen gehört, d. h. das Haus recht groß ist. Wie schon ausgeführt, ist die Änderung des optischen Gesamteindrucks nicht der Maßstab, wäre aber allemal ausreichend, den Nachteil zu bejahen.Hier liegt eine relevante nicht unerhebliche Beeinträchtigung vor, wenn man das Lichtbild AS 19 unten anschaut. Da sieht man zwar im linken unteren Bereich eine weitere Anlage, diese ist jedoch schon entfernt worden. Das streitgegenständliche Modul fällt weniger aufgrund seiner Größe, sondern mehr aufgrund seiner schwarzen Farbe deutlich auf. Egal ist hierbei, dass die Fenster hinter den Balkonen teilweise auch dunkel wirken. Die Balkonaußenseiten haben sonst nirgends eine ähnliche Veränderung erfahren. Die Optik wird hierdurch gestört bzw. beeinträchtigt. Noch deutlicher wird dies durch das Lichtbild AS 20, das zeigt, dass das Modul für die Balkonnachbarn ein erheblich wahrnehmbares optisches Element ist.Wo nun ein Nachteil bejaht wurde, hat keine zusätzliche Abwägung mit gegenüberstehenden Vorteilen zu erfolgen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung zu § 22 WEG a.F.. Wie schon ausgeführt, folgt aus § 20 Abs. 4 WEG nichts anderes. Würde eine solche Abwägung erfolgen, sollte auch ein Vortrag zur (positiven) Ökobilanz des Balkonkraftwerkes erfolgen.
Da hier keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, war nicht nur der Negativbeschluss zu TOP 3 in Ordnung, sondern war auch die Beschlussersetzungsklage abzuweisen. Da das Balkonkraftwerk trotz der Bausperre ohne die erforderliche Zustimmung installiert wurde, hat die WEG einen Beseitigungsanspruch, §§ 20 Abs. 1 WEG, 1004 BGB. Hierüber auch im Innenverhältnis zu beschließen, wo die Verwaltung im Außenverhältnis nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG auch so berechtigt ist, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, will die WEG-Verwaltung sich nicht Angegriffen ausgesetzt sehen, sie handele ohne Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer. Auch ist die Formulierung bestimmt genug. ´Alle rechtlichen Mittel´ bedeutet alles, was erforderlich ist, um außergerichtlich und gegebenenfalls gerichtlich auch mit Anwalt die Entfernung des Moduls umzusetzen. Unbeachtlich ist hierbei, dass inzwischen die Anlage entfernt wurde. Zum einen war sie es nicht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und zum anderen wurde vorgebracht, dass sie nur vorübergehend nicht am Balkon angebracht ist.“