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Zivilrecht/Zivilprozessrecht

Abhandenkommen (§ 935 BGB)

Der Begriff Abhandenkommen wird im Gesetz selbst nicht definiert. Nach allgemeiner Auffassung ist eine Sache dann nach § 935 Abs. 1 BGB abhandengekommen, wenn der unmittelbare Besitzer seinen Besitz ohne seinen Willen verloren hat; ein Verlust gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers ist hingegen nicht notwendig.

Siehe auch BGH, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 =  MDR 2020, 1372 = VersR 2020, 1518 = L&L 2021, 6:

„a) Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht Besitzdiener des Verkäufers.

  1. b) Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt zu einem freiwilligen Besitzverlust.
  2. c) Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall nicht zurückgegeben, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor.“

OLG Celle, Urt. v. 12.10.2022 – 7 U 974/21, NJW 2023, 229 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Nach § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt ein gutgläubiger Erwerb auf Grund der §§ 932 bis 934 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhandengekommen war. Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer im Sinne von § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB abhanden, wenn dieser den Besitz an ihr unfreiwillig verliert, woran es fehlt, wenn sie durch Täuschung zu der Besitzaufgabe bestimmt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19, juris Rn. 9).

(b) Der unmittelbare Besitz an einer Sache wird gemäß § 854 Abs. 1 BGB durch die tatsächliche Gewalt über die Sache erworben. In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung ab, also von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falles entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19, juris Rn. 11).

Für die Besitzverhältnisse an einem Kraftfahrzeug kommt es in der Regel darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Fahrzeugschlüssel ausübt. Die Übergabe eines Schlüssels bewirkt allerdings nur dann einen Besitzübergang, wenn der Übergeber die tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat. Hieran fehlt es etwa, wenn der Schlüssel zwecks bloßer Besichtigung des Fahrzeugs übergeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19, juris Rn. 12).

Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht durch technische Vorrichtungen, die einer Begleitung vergleichbar sind, gesicherten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine Dauer von einer Stunde ist keine Besitzlockerung, sondern führt zu einem freiwilligen Besitzverlust (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19, juris Rn. 10, 13).“

(Letzte Aktualisierung: 27.01.2023)

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