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Werkstattverweis
Hier geht es um die Frage, ob der Schädiger den Geschädigten nach einem Verkehrsunfall auf eine bestimmt – regelmäßig nicht markengebundene – Werkstatt verweisen kann, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Siehe dazu etwa LG Bonn, Urt. v.11.09.2018 – 5 S 53/18:
„Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGH NJW 2005, 1041; BGH NJW 1996, 1958). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH NJW 2003, 2086). Wählt der Geschädigte den vorbeschriebenen Weg der Schadensberechnung und genügt er damit bereits dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, so begründen besondere Umstände, wie das Alter des Fahrzeugs oder seine Laufleistung, keine weitere Darlegungslast des Geschädigten (BGH, Urteil vom 20.10.2009, VI ZR 53/09).
Die Frage unter welchen Voraussetzungen es dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB bei der (fiktiven) Schadensabrechnung zumutbar ist, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise, die sowohl dem Interesse des Geschädigten an einer Totalreparation als auch dem Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens angemessen Rechnung trägt. Die Zumutbarkeit für den Geschädigten, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, setzt jedenfalls eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur voraus. Will der Schädiger mithin den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, muss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht ( ). Dabei sind dem Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zu Grunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss ( ). Steht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es für den Geschädigten im Einzelfall gleichwohl unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Aber auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Fahrzeug regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und „scheckheftgepflegt wurde ( ).“
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Schadenskalkulation des Klägers gemäß dem Privatgutachten des Sachverständigen V vom 03.05.2017 ( ) nicht auf den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt, sondern nur auf den durchschnittlichen ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen (von markengebundenen Fachwerkstätten und freien Werkstätten) beruht. Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser nicht allein dadurch seiner Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB hinreichend genüge getan.
Die Kammer verkennt nicht, dass die in Rede stehende Rechtsfrage kontrovers beurteilt wird.
Teilweise wird eine Verweisung – unter den allgemeinen Voraussetzungen – auch dann für zulässig erachtet, wenn der Geschädigte seinen fiktiven Schaden auf der Grundlage abstrakter mittlerer Stundenverrechnungssätze kalkuliert. Es wird argumentiert, dass der unter Ziffer a) skizzierten Judikatur des Bundesgerichtshofes keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen sei, dass eine Verweisung des Geschädigten nur dann in Betracht komme, wenn das von ihm vorgelegte Schadensgutachten die Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt in Ansatz bringt. Es sei zudem kein Grund ersichtlich, eine Verweisung des Geschädigten nur in Fällen zuzulassen, in denen das Schadensgutachten auf der Basis der Verrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert ist, eine Verweisung im Rahmen der Schadensminderungspflicht aber nicht zuzulassen, wenn eine Kalkulation auf der Basis abstrakter mittlerer Verrechnungssätze erfolgt. Überdies habe der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 29.04.2003 (Az.: VI ZR 398/02) entschieden, dass der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region nicht Grundlage der Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen fiktiven Reparaturkosten sein könne. Daraus sei zu entnehmen, dass mittlere Verrechnungssätze nicht den erforderlichen Reparaturaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB wiedergeben würden. Soweit ein Geschädigter vorträgt, die Verweisungsmöglichkeit würde faktisch dazu führen, dass er immer die billigste Reparaturwerkstatt wählen müsse, sei dies nicht zutreffend. Vielmehr komme eine Verweisung nur dann in Betracht, wenn der Schädiger die Gleichwertigkeit und mühelose Erreichbarkeit der Referenzwerkstatt nachweist. Daher erhalte der Geschädigte Kosten für eine Reparatur, welche dem Standard einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht ( ).
Mitunter wird eine Verweisung auch für unzulässig erachtet, wenn der Geschädigte entsprechend den mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen von Kraftfahrzeugreparaturbetrieben abgerechnet hat. Es wird insoweit die Auffassung vertreten, mit dieser Vorgehensweise genüge der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und bewege sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen. Falls sich der insoweit überobligationsmäßig handelnde Geschädigte auf eine „noch billigere“ Werkstatt verweisen lassen müsste, würden der Grundsatz der Totalreparation und die dem Geschädigten zuerkannte Ersetzungsbefugnis unterlaufen werden. Der zur Schadenbeseitigung erforderliche Betrag i.S.v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB werde nicht durch die besonders günstigen Stundenverrechnungssätze einer von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt bestimmt, sondern bemesse sich auch bei fiktiver Abrechnung danach, welche Reparaturkosten anfallen würden. Der Geschädigte sei nicht gehalten, die billigste Werkstatt zu wählen ( ). Dieser Auffassung hat sich – wenn auch ohne vertiefte Diskussion – das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung angeschlossen.
Die Kammer erachtet die erstgenannte Ansicht für vorzugswürdig. Der unter Ziffer a) dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Voraussetzungen für eine Verweisung des Geschädigten auf eine freie Werkstatt lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass diese im Falle einer Schadenskalkulation auf der Grundlage mittlerer ortsüblicher Stundenverrechnungssätze keine Anwendung finden sollte. Die Tatsache, dass der Geschädigte dem Schädiger bereits teilweise entgegengekommen ist, rechtfertigt es nicht, den Geschädigten von seinen weitergehenden Verpflichtungen aus § 254 Abs. 2 BGB zu entbinden. Dies würde auch mitnichten dazu führen, dass der Geschädigte sich stets auf die „billigste Reparaturwerkstatt“ verweisen lassen müsste. Vielmehr müsste der Schädiger ( ) stets darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die von ihm vorgeschlagene freie Werkstatt zu einer markengebundenen Fachwerkstatt technisch gleichwertig und für den Geschädigten auch erreichbar ist. Zudem könnte der Geschädigte auch in dieser Fallkonstellation einer Verweisung ein etwaiges geringes Alter oder eine „scheckheftmäßige“ Wartung des Fahrzeuges entgegenhalten. Eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Totalreparation vermag die Kammer daher nicht zu erkennen.“
(Letzte Aktualisierung: 11.12.2018)
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Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht
Mail: halle@etl-rechtsanwaelte.de