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Strafrecht/Strafprozessrecht

Verständigung (§ 257c StPO)

BGH, Beschl. v. 17.02.2021 – 5 StR 484/20 [Leitsätze]:

„Wird das Verfahren, in dem es zu einer Verständigung gekommen war, ausgesetzt, entfällt die Bindung des Gerichts an die Verständigung.

Das aus der Aussetzung resultierende Entfallen der Bindungswirkung führt grundsätzlich zur Unverwertbarkeit des im Vertrauen auf den Bestand der Verständigung abgegebenen Geständnisses in der neuen Hauptverhandlung.

Eine Pflicht, den Angeklagten zu Beginn der neuen Hauptverhandlung über die Unverwertbarkeit seines in der ausgesetzten Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisses ausdrücklich (´qualifiziert´) zu belehren, besteht nicht, wenn der Angeklagte vor der Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war; es genügt, wenn er zu Beginn der neuen Hauptverhandlung darüber informiert wird, dass eine Bindung an die in der ausgesetzten Hauptverhandlung getroffene Verständigung entfallen ist (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 24. April 2019 – 1 StR 153/19, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 12).“

Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 08.11.2023 – 2 BvR 294/22, NJW 2024, 1097 [Pressemitteilung Nr. 14/2024 v. 07.02.2024]:

„Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 Strafprozessordnung

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung teilweise stattgegeben.

Kommt es im Verlauf der Hauptverhandlung zu Erörterungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten, die eine Verständigung zum Gegenstand haben, so muss der Vorsitzende nach § 243 Abs. 4 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) deren Gegenstand und wesentlichen Inhalt mitteilen.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe. Vorausgegangen war eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Im Sitzungsprotokoll heißt es, es sei eine Verständigung herbeigeführt worden; bei einem Geständnis komme keine höhere Gesamtfreiheitsstrafe als ein Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht. Das Sitzungsprotokoll enthält insbesondere keine Angaben dazu, wer den Verständigungsvorschlag unterbreitete und wer welchen Standpunkt vertrat. Der Beschwerdeführer legte gegen das amtsgerichtliche Urteil Sprungrevision zum Oberlandesgericht ein. Er ließ sinngemäß vortragen, sein Verteidiger habe ihn über das Ergebnis der Verständigung, nicht aber über weitere Einzelheiten informiert. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision als unbegründet.

Das Oberlandesgericht hat Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Verständigung im Strafprozess nicht hinreichend berücksichtigt. Es hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO sowie an die Beurteilung, ob das amtsgerichtliche Urteil auf einer Verletzung dieser Mitteilungspflicht beruht, verkannt.

Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Sachverhalt:

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 Abgabenordnung – AO) in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Während der Hauptverhandlung regte der Verteidiger des Beschwerdeführers ein Rechtsgespräch an, woraufhin die Sitzung für etwa 20 Minuten unterbrochen wurde. Im Sitzungsprotokoll ist vermerkt:

´Eine Verständigung wurde insoweit herbeigeführt, als dass im Falle eines glaubhaften Geständnisses keine höhere Gesamtfreiheitsstrafe als ein Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung (…) in Betracht komme (…). Der Vertreter der Staatsanwaltschaft tritt neben dem Gericht dieser Verständigung bei.´

Der Verteidiger erklärte für den Beschwerdeführer, dass er die Anklage bestätige.

Der Beschwerdeführer legte gegen das amtsgerichtliche Urteil Sprungrevision ein. Er ließ unter anderem vortragen, in der Sitzung vor dem Amtsgericht sei auf Anregung seines Verteidigers eine Erörterung durchgeführt worden. Er und die Öffentlichkeit seien aufgefordert worden, den Sitzungssaal zu verlassen. Der Strafrichter habe in dem Gespräch gesagt: „Wenn es eine Vereinbarung geben solle, müsse sich diese auf die gesamten Anklagevorwürfe beziehen“. Der Strafrichter, der Verteidiger und der Staatsanwalt hätten im weiteren Gesprächsverlauf unter anderem ihre Standpunkte zu der Art und Höhe der Strafe im Falle eines Geständnisses ausgetauscht. Nach der Erörterung habe ihm sein Verteidiger erklärt, dass seine Sichtweise zum Eingreifen eines Beweisverwertungsverbots nicht geteilt werde, aber eine Bewährungsstrafe gegen Geständnis bei Einräumung aller Vorwürfe laut Anklage von circa einem Jahr für realistisch gehalten werde, die ohne Auflage oder Weisung einer Geldzahlung in Betracht komme. Weitere Umstände der Erörterung seien dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt worden.

Das Oberlandesgericht verwarf die Revision als unbegründet.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig und insoweit auch begründet. Das Oberlandesgericht hat Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Verständigung im Strafprozess nicht hinreichend berücksichtigt. Es hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO sowie an die Beurteilung, ob das amtsgerichtliche Urteil auf einer Verletzung dieser Mitteilungspflicht beruht, verkannt.

(…) Die gesetzlichen Regelungen zur Verständigung im Strafprozess sind getragen von der Absicht des Gesetzgebers, ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist. Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren umfassend normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll.

(…) Die laut Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts erfolgte Mitteilung über die Verständigung durch den Strafrichter genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO.

(…) Der Inhalt des während der Unterbrechung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht geführten Gesprächs zwischen dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, dem Strafrichter und dem Verteidiger des Beschwerdeführers unterfiel jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO, als der Strafrichter durch die Aussage „Wenn es eine Vereinbarung geben solle, müsse sich diese auf die gesamten Anklagevorwürfe beziehen“ ausdrücklich die Möglichkeit einer Vereinbarung in Betracht gezogen hatte. Spätestens ab diesem Moment war die Erörterung offensichtlich auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung gerichtet.

(…) Die Mitteilung des Strafrichters in der Hauptverhandlung gibt den wesentlichen Inhalt des Verständigungsgesprächs nicht vollständig wieder. Der Strafrichter beschränkte sich darauf, kundzutun, dass eine Verständigung herbeigeführt worden sei und welche Strafe der Beschwerdeführer im Falle eines Geständnisses zu erwarten habe. Nach § 243 Abs. 4 StPO oblag es dem Strafrichter jedoch, darüber hinaus mitzuteilen, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei den anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung stieß.

(…) Das Oberlandesgericht dürfte das Beruhen des Urteils des Amtsgerichts auf der Verletzung der Mitteilungspflicht mit verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Argumentation ausgeschlossen haben.

(..:) Es hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen des § 243 Abs. 4 StPO bereits aus dem Grund verfehlt, dass die Frage des Beruhens offensichtlich allein unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers geprüft und die Bedeutung der von dem Verstoß in erster Linie betroffenen, auch dem Schutz des Beschwerdeführers dienenden Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit außer Acht gelassen worden ist.

(…) Auch bei einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Gesamtbetrachtung drängt sich kein anderes Ergebnis auf. Die Schwere des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht und die Art der in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilten Gesprächsinhalte lassen nicht von vornherein ausschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht beruht.

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass das Oberlandesgericht sich mit dem Gesichtspunkt auseinandergesetzt hätte, dass richterliche und nichtrichterliche Mitteilungen nicht von identischer Qualität sein können, sodass auch bei erfolgter Unterrichtung durch den Verteidiger das richterliche Mitteilungsdefizit Auswirkungen auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers gehabt haben könnte.

Es ist zudem zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer vor seiner geständigen Einlassung tatsächlich vollumfänglich über den Inhalt des Verständigungsgesprächs unterrichtet worden ist. Das Protokoll zur Hauptverhandlung enthält keine entsprechende Feststellung. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers dürfte dieser nicht darüber informiert gewesen sein, von wem die Frage einer Verständigung aufgeworfen worden war, wer den Verständigungsvorschlag unterbreitet hatte und welche konkreten Standpunkte von welchem Gesprächsteilnehmer vertreten worden waren. Diese Informationen geben Aufschluss über die innere Haltung und Einstellung der Vertreter der Strafrechtspflege und können es dem Beschwerdeführer ermöglichen, seine persönliche Situation im Verfahren besser einzuschätzen, verteidigungsrelevante Schlüsse zu ziehen und eine informierte Entscheidung zu treffen.“

BVerfG, Beschl. v. 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20, NJW 2024, 1103 [Pressemitteilung Nr. 15/2024 v. 07.02.2024]:

„Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung nach einem verständigungsbasierten Geständnis

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung stattgegeben. Grundlage dieser Verurteilung war eine geständige Einlassung des Beschwerdeführers nach einer Verständigung.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe. Vorausgegangen war eine Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c Abs. 1 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO). Der Verteidiger des Beschwerdeführers gab für diesen eine kurze Erklärung ab. Er erklärte unter anderem, der Beschwerdeführer bestätige ´die Tatvorwürfe aus der Anklage´. Der Beschwerdeführer erklärte: ´Das ist richtig so´. Eine Beweisaufnahme zur Überprüfung der Einlassung fand nicht statt. Die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegte Sprungrevision verwarf das Oberlandesgericht als unbegründet.

Die Urteile des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Das Amtsgericht hat bei der Sachverhaltsaufklärung und der Beweiswürdigung die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Wahrheitserforschung verkannt. Das Geständnis des Beschwerdeführers hätte nicht als alleinige Grundlage zu seiner Verurteilung herangezogen werden dürfen. Dem Amtsgericht hätte sich zwingend die Notwendigkeit einer ergänzenden Beweiserhebung zur Überprüfung des Geständnisses und der Feststellung seiner Schuld aufdrängen müssen; insbesondere, weil das Verfahren als komplex und die Qualität des Geständnisses als gering einzustufen sind. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat diesen Verfassungsverstoß perpetuiert.

Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Sachverhalt:

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Strafgesetzbuch – StGB) in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. In der Hauptverhandlung schlug der Vorsitzende eine Verständigung gemäß § 257c StPO vor. Für den Fall einer geständigen Einlassung werde dem Beschwerdeführer eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten zugesichert, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Beschwerdeführer und der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmten der Verständigung zu. Der Pflichtverteidiger gab für den Beschwerdeführer sodann folgende Erklärung ab:

´Herr D. bestätigt die Tatvorwürfe aus der Anklage (…). Herr D. war Geschäftsführer der Firma und beschäftigte viele Arbeitnehmer aus Osteuropa. Ob dieser Personenkreis unternehmerisch tätig war oder nicht, war ihm nicht wichtig. (…) Ihn hat nicht interessiert, ob die Arbeitnehmer anzumelden sind oder dies bereits geschah. Er hat sich um die Dinge nicht gekümmert, er nahm die Konsequenzen in Kauf. (…) Der Tatvorwurf wird als bestätigt eingeräumt (…).´

Der Beschwerdeführer bestätigte diese Erklärung mit den Worten: ´Das ist richtig so´. Nach den Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und der Verlesung eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister wurde die Beweisaufnahme geschlossen.

Der Beschwerdeführer legte gegen das amtsgerichtliche Urteil Sprungrevision ein, die das Oberlandesgericht als unbegründet verwarf.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Urteile des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

(…) § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Eine Verständigung kann niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden. Weiterhin maßgeblich bleibt allein und ausschließlich die – ausreichend fundierte – Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt.

(…) Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht haben den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO verkannt. Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf einer unzureichenden Erforschung der materiellen Wahrheit.

(…) Das Geständnis des Beschwerdeführers hätte vernünftigerweise nicht als alleinige Grundlage zu seiner Verurteilung herangezogen werden dürfen.

Das Verfahren im Zusammenhang mit § 266a StGB ist als komplex einzustufen. Der Tatvorwurf erstreckt sich auf 26 Taten, die die Beschäftigung von mindestens 36 Personen in einem Zeitraum von fast drei Jahren betreffen und einen Schaden von mutmaßlich nahezu einer halben Million Euro umfassen.

Die Qualität des verständigungsbasierten Geständnisses des Beschwerdeführers ist insgesamt als gering einzuschätzen und dürfte kaum über ein Formalgeständnis hinausgehen. Die oberflächlichen und teilweise mehrdeutigen Ausführungen des Beschwerdeführers lassen es als äußerst zweifelhaft erscheinen, dass sich der Tatrichter allein auf dieser Basis vom Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Straftatbestandes überzeugen konnte. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass das Amtsgericht bei Würdigung der Aussagekraft der geständigen Einlassung berücksichtigt hätte, dass der Beschwerdeführer das Geständnis nicht persönlich vortrug, sondern durch seinen Verteidiger verlesen ließ.

Das amtsgerichtliche Urteil lässt besorgen, dass sich der Tatrichter keine ausreichend fundierte Überzeugung von der Schadenshöhe verschafft hat. Diese stellt einen wesentlichen Faktor der Strafzumessung bei § 266a StGB dar. Das Amtsgericht hat wohl allein anhand der Einlassung des Beschwerdeführers, die Anklage als richtig zu bestätigen, darauf geschlossen, dass der sozialversicherungsrechtliche Schaden 494.793,19 Euro betragen haben muss.

(…) Die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte sich dem Amtsgericht nach alldem aufdrängen müssen.

Das verständigungsbasierte Geständnis ist zwingend durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Gleichwohl hat das Amtsgericht das Geständnis des Beschwerdeführers in den Urteilsgründen weder hinreichend erläutert noch es einer erforderlichen Prüfung durch formelle Beweiserhebung oder auf andere Weise unterzogen. So erscheint es als zweifelhaft, ob sich das Amtsgericht der Bedeutung der trotz des Geständnisses fortbestehenden Aufklärungspflicht nach § 257c Abs. 1 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO tatsächlich bewusst war. Es lässt sich keinesfalls von vornherein sicher ausschließen, dass eine weitere Beweiserhebung zur Überprüfung des verständigungsbasierten Geständnisses vorliegend einen weiteren Erkenntnisgewinn versprochen hätte.“

(Letzte Aktualisierung: 24.04.2024)