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Strafrecht/Strafprozessrecht

Kollektivbeleidigung

Hier geht es um eine (strafbare) Beleidigung. Mehrere Einzelpersonen als Mitglieder einer Personenmehrheit können unter einen sog. Kollektivbezeichnung beleidigt werden. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (BVerfG, Beschl. v. 16.1.2017 – 1 BvR 1593/16, veröffentlicht u.a. in NJW 2017, 1092):

„Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen der Weste mit den Buchstaben „ACAB“ fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).

Die Gerichte sind davon ausgegangen, dass der Aufdruck „ACAB“ für die englische Parole „all cops are bastards“ steht. Da diese Auflösung der Buchstabenfolge sowohl bei der Polizei als auch bei den Äußernden allgemein bekannt ist, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Verwendung der Buchstabenfolge der Äußerung der Aussage gleichgestellt wird. Ob dies auch für die Verwendung der Zahlenfolge 13 12 gilt, kann offen blieben. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Parole ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2015 – 1 BvR 1036/14 -, NJW 2015, S. 2022, und vom 17. Mai 2016 – 1 BvR 257/14 -, juris).

b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als allgemeines Gesetz geeignet, der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>).

c) Der in der Verurteilung liegende Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.“

 

(Letzte Aktualisierung: 28.04.2017)