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Strafrecht/Strafprozessrecht

Bedingter Tötungsvorsatz

Siehe hierzu BGH, Urt. v. 09.12.2021 – 4 StR 167/21:

„Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 ‒ 4 StR 482/19 Rn. 22 und vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, aaO).“

Siehe auch BGH, Urt. v. 23.03.2022 – 6 StR 343/21, NStZ 2022, 549:

„3. Die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts halten auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401) rechtlicher Überprüfung stand.

a) Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei besonders gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2019 – 2 StR 122/19, NStZ 2020, 288, 289). Das Landgericht hat die gebotene Gesamtschau der bedeutsamen objektiven und subjektiven Tatumstände vorgenommen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 2020 – 2 StR 304/19 Rn. 14; vom 31. Januar 2019 – 4 StR 432/18 Rn. 10) und dabei insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Verletzungshandlungen (zweiminütiges durchgehendes, potenziell lebensgefährliches Würgen; andererseits keine konkrete Lebensgefahr), den Tathergang (spontane, unüberlegte Tat) und die psychische Verfassung des Angeklagten (wiederholter Streit und aufgeheizte Stimmung) bedacht. Bei seiner Bewertung der Beweistatsachen hat es sich nicht mit allgemeinen, formelhaften Wendungen begnügt; vielmehr hat es seine Überzeugung, der Vorsatz des Angeklagten habe sich jeweils nur auf eine Körperverletzung bezogen, mit auf den konkreten Fall abgestellten Erwägungen begründet. Den Aspekt einer gegenüber Tötungen bestehenden höheren ´Hemmschwelle´ (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 189) hat es in Beziehung zu der vom Angeklagten erkannten generellen Gefährlichkeit der Tathandlung einerseits und seiner Bindung zur Geschädigten andererseits erörtert.

b) Zur Verneinung des voluntativen Elements des Vorsatzes durfte die Schwurgerichtskammer die affektive Erregung vorsatzkritisch heranziehen. Denn bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2019 − 2 StR 122/19, aaO). Dementsprechend hat das Landgericht gewichtet, dass sich der Angeklagte – trotz der angespannten Beziehung zu seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau und seiner passiv-aggressiven Persönlichkeitsstruktur in dieser sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Auseinandersetzung – erstmals zu Gewalttätigkeiten hinreißen ließ.“

(Letzte Aktualisierung: 11.11.2022)