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Nachtzuschlag / Nachtarbeitszuschlag
§ 6 Abs. 5 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) lautet:
„Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.“
Zunächst ist zu beachten, dass nicht in jedem Fall der Nachtarbeit ein Ausgleich zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer muss ein sog. Nachtarbeitnehmer sein, d. h. er muss entweder auf Grund seiner Arbeitszeitgestaltung „normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben“ oder an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leisten (§ 2 Absatz 5 ArbZG). Handelt es sich um einen Nachtarbeitnehmer im o. g. Sinne, ist § 6 Abs. 5 ArbZG einschlägig.
Als Ausgleich für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden kommen Zuschläge auf das Bruttoarbeitsentgelt für die in Nachtarbeit geleistete Zeit oder bezahlte freie Tage in Betracht. Welche Form des Ausgleichs der Arbeitgeber wählt, liegt in seinem Ermessen. Dementsprechend stuft das BAG die Ausgleichsverpflichtung des Arbeitgebers als Wahlschuld ein (BAG, Urt. v. 05.09.2002 – 9 AZR 202/01).
Der Ausgleich muss in beiden Fällen angemessen sein. Bei dem Merkmal “angemessen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Es gibt hierbei also keine starre Regelung. Zwischen der mit Nachtarbeit verbundenen Erschwernis und dem Ausgleich muss ein ausgewogenes Verhältnis bestehen. Dazu ist abzustellen auf den mit der Ausgleichszahlung verfolgten Zweck, nämlich die mit der Nachtarbeit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszugleichen, in gewissem Umfange auch den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilnahme am sozialen Leben zu entschädigen und schließlich durch die finanzielle Belastung des Arbeitgebers Nachtarbeit möglichst einzudämmen.
Was die Angemessenheit des Zuschlags auf den Bruttostundenlohn betrifft, können die Gerichte jeden Fall einzeln für sich beurteilen. Als in der Regel angemessen wird in der Rechtsprechung ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % bei Einsatz in Wechselschicht und 30 % bei ausschließlicher Nachtarbeit angesehen (BAG, Urt. v. 01.02.2006 – 5 AZR 422/04; BAG, Urt. v. 27.05.2003 – 9 AZR 180/02; BAG, Urt. v. 05.09.2002 – 9 AZR 202/01). Das BAG hat jedoch beispielsweise auch entschieden, dass im Bewachungsgewerbe nur 10% bzw. 12% Zuschlag geschuldet sind, weil in diesem Gewerbe viele Entspannungsphasen (Arbeitsbereitschaft) in der Nacht anfallen. Ähnliches hat das LAG Köln bei einem Zeitungszusteller mit der Begründung entschieden, dass die Zeitungszustellung nur während der Nacht vorgenommen werden könne und damit ein wesentlicher, für die Bemessung des Zuschlags maßgebender Gesichtspunkt fehle, nämlich dass durch die Höhe des Zuschlags Nachtarbeit möglichst vermieden werden soll (LAG Köln, Urt. v. 02.09.2005 – 12 Sa 132/05). Umgekehrt kann für andere Tätigkeiten ein höherer Zuschlag geschuldet sein, etwa wenn die Arbeitsbelastung überdurchschnittlich hoch ist (weniger Pausen). Anhaltspunkte für die Angemessenheit können sich im Übrigen aus Branchentarifverträgen ergeben, auch wenn beide Seiten nicht tarifgebunden sind. Die tariflichen Vorschriften dienen dabei als Orientierungshilfe (vgl. BAG, Urt. v. 05.09.2002 – 9 AZR 202/01).
Bei der Frage der Angemessenheit kommt es nach alledem stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an, ausgehend vom Regelfall von 25 bzw. 30 % des vereinbarten Bruttostundenlohns.
Der Ausgleich in Form von bezahlter Freizeit ist nach denselben Maßstäben zu bestimmen (BAG, Urteil v. 01.02.2006 – 5 AZR 422/04). Das bedeutet rechnerisch, dass in der Regel (25%) jeweils für vier geleistete Nachtarbeitsstunden eine Stunde bezahlter Freizeit zu gewähren wäre.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden (BAG, Urt. v. 09.12.2015 – 10 AZR 423/14)*:
„Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag i.H.v. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30%.“
Mit Urteil vom 11.01.2019 – 9 Sa 57/18 – hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass der Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG für eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, die für den Arbeitgeber gesetzlich verpflichtende Nachtarbeit leistet, 20 % beträgt:
„Ausgehend von dem „Regelnachtarbeitszuschlag“ von 25 % ist in einem ersten Schritt eine Korrektur vorzunehmen, weil es sich bei der von der Klägerin geleisteten Nachtarbeit um gesetzlich angeordnete Nachtarbeit im Interesse des Gemeinwohls handelt und in einem zweiten Schritt eine weitere Korrektur vorzunehmen, weil die geleistete Dauernachtarbeit die Klägerin zusätzlich in ihrer Gesundheit gegenüber einfacher Nachtarbeit beeinträchtigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat bisher jedoch nicht entschieden, in welcher Höhe ein Abschlag hier angemessen ist bzw. wie sich der angemessene Regelzuschlag von 25 % auf einen Lenkungsanteil und einen Anteil, der dem individuellen Nachteilsausgleich dient aufteilt. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 31. August 2005 (5 AZR 545 / 04 – Rettungsdienst) bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft eine Untergrenze für den Zuschlag von 10 % akzeptiert. Da die Parteien hier übereinstimmen, dass sich die Nachtdienste der Klägerin durch keine Besonderheiten von der Tätigkeit und sonstigen Nachtdiensten und Nachtarbeit unterscheidet, ist davon auszugehen, dass eine Verringerung des Zuschlages auf 10 % unangemessen ist. Da es sich bei den Nachtdiensten der Klägerin um „Normalarbeit“ handelt, hält das Gericht hier einen Zuschlag von 15 % für angemessen. Mit einem solchen Betrag werden die Interessen beider Parteien bei einer an sich unvermeidlichen Nachtarbeit ausreichend gewahrt. Zu Gunsten der Beklagten wird berücksichtigt, dass der Lenkungszweck des Nachtarbeitszuschlags hier nicht erreicht werden kann, zu Gunsten der Klägerin wird gleichwohl ein nennenswerter Betrag festgesetzt, der dazu dient, die unvermeidlichen ihr persönlich entstehenden Nachteile und gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszugleichen.
In einem davon zu trennenden Schritt ist zu prüfen, in welchem Umfang die Tatsache, dass die Klägerin eine insoweit vermeidbare Dauernachtarbeit ausführt, zu einer Erhöhung des Zuschlages zu führen hat. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09. Dezember 2015 (10 AZR 423/14) geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Erhöhung von 5 %-Punkten die zusätzlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass sie Dauernachtarbeit leistet angemessen ausgleicht.
Daraus ergibt sich, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen Zuschlag für die von ihr geleistete Dauernachtarbeit i.H.v. 20 % des Stundenlohnes hat.“
LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.06.2018 – 5 Sa 446/17:
„1. Die Klägerin kann von der Beklagten gem. § 6 Abs. 5 ArbZG für die tatsächlich geleistete Dauernachtarbeit sowie für die Dauernachtarbeit, die wegen Krankheit (mit Entgeltfortzahlungsanspruch) oder Urlaubs ausgefallen ist, in der Zeit von Januar 2013 bis Dezember 2015 Zuschläge iHv. 30 % auf den umgerechneten Bruttostundenlohn beanspruchen. Nachtarbeitszuschläge iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG sind als Geldfaktor sowohl in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 4 Abs. 1 EFZG als auch des Urlaubsentgelts gem. § 11 Abs. 1 BUrlG einzustellen.“
(Letzte Aktualisierung: 25.06.2020)
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