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Geschlossene Zahnreihe
Dieser Begriff ist u.a. für die Abrechnung endodontischer Leistungen eines Zahnarztes bei der Behandlung eines sog. Kassenpatienten maßgeblich. Genauer geht es darum, inwieweit die jeweilige Krankenkasse des Patienten die Kosten für die endontische Behandlung von Molaren (= hintere, große Backenzähne) übernimmt. Dies ist nicht der Fall, wenn keine geschlossene Zahnreihe vorhanden ist, denn in einem solchen Fall soll der betroffene Zahn grundsätzlich entfernt werden.
Unter einer geschlossenen Zahnreihe versteht man einen Gebissbefund, bei dem von dem zu behandelnden Zahn bis zur Kiefermitte alle Zähne vorhanden sind oder Lücken mit Zahnersatz, ggf. auch Implantaten versorgt sind. Zu beachten ist, dass ein Lückenschluss durch Zahnwanderung als geschlossene Zahnreihe gilt.
Es gibt Kassen, die – abweichend von der vorstehend wiedergegebenen Definition – auf den jeweiligen Kieferbereich (Ober- bzw. Unterkiefer) abstellen. Sodann wird eine Kostenübernahme schon dann abgelehnt, wenn es auch nur eine Lücke im gesamten Unter- oder Oberkiefer gibt. Das ist u. E. unrichtig. Sprachlich ist die beschriebene Auffassung nicht zu rechtfertigen, denn es geht bei dem Begriff der geschlossenen Zahnreihe im Wesentlichen um ästhetische Gesichtspunkte. Für den Betrachter stellt sich eine Zahnreihe aber schon dann als geschlossen dar, wenn ein Quadrant keine Zahnlücke aufweist. Die geschilderte Meinung einiger Kassen widerspricht dem allgemein gültigen Grundsatz, wonach der Zahnerhalt grundsätzlich Vorrang gegenüber der Zahnextraktion genießt. Schließlich und ganz wesentlich ist der allgemeine rechtliche, insbesondere auch strafrechtliche Grundsatz, wonach ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen nur lege artis (= den Regeln der Heilkunst entsprechend) ist, wenn dieser (zahn–)medizinisch zu rechtfertigen ist.
Einen Sonderfall stellt zudem ein Befund dar, bei dem beispielsweise der Zahn 17 endodontisch behandelt werden muss und der Zahn16 bereits fehlt, während alle weiteren Zähne im jeweiligen Kiefer vorhanden sind. Ohne endodontische Maßnahme entsteht eine sog. Freiendsituation, die eine Brücke aufgrund nur einseitiger Befestigungsmöglichkeit ausschließt, sodass dem Patienten nur eine kostenintensive Implantation oder Prothesenversorgung bleibt. Wir sind der Meinung, dass im Wesentlichen aus den bereits genannten Gründen auch hier eine Kassenleistung angenommen werden muss.
(Letzte Aktualisierung: 07.10.2019)
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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt