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Rassismus
Rassistische Äußerungen eines Arbeitnehmers können einen Grund für eine ordentlich, ggf. auch eine außerordentliche und fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen. So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.12.2020 – 5 Sa 231/20) entschieden [aus der Pressemitteilung des Gerichts]:
„Der Kläger war seit dem 01.09.1981 als Facharbeiter bei der Beklagten, einem Unter-nehmen der chemischen Industrie, beschäftigt. Der 55jährige verheiratete Kläger, der drei Kinder hat, ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. anerkannt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamtes am 26.10.2019 zum 31.05.2020. Sie wirft dem Kläger schwere rassistische und beleidigende Äußerungen gegenüber türkischstämmigen Fremdfirmenmitarbeitern vor. Der Kläger hat diese Äußerungen bestritten und die ordnungs-gemäße Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung gerügt. Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stand fest, dass der Kläger sich am 08.01.2019 auf die Frage eines Kollegen, was er zu Weihnachten bekommen habe, in der Werkstattküche wie folgt geäußert hat: „Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber nicht erhalten. Die Türken soll man ins Feuer werfen und ihnen den Kopf abschlagen.“ Bereits zuvor hatte der Kläger nach der durchgeführten Beweisaufnahme Fremdmitarbeiter als „Ölaugen“, „Nigger“ und „meine Untertanen“ beschimpft. Diese hatten sich deshalb nicht bereits vorher beschwert, weil der Kläger sich als unantastbar geriert hatte, als jemand, dem man „nichts könne“, weil er einen Behindertenausweis habe und unkündbar sei. Die Kündigung des Klägers ist aufgrund dieser Äußerungen sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis beendet. Sowohl die Bezeichnung als „Ölaugen“ als auch die Bezeichnung als „Nigger“ oder „Untertanen“ sind nicht hinnehmbare beleidigende Äußerungen. Dies gipfelte – so die 5. Kammer – dann in der nationalsozialistisch menschenverachtenden Äußerung des Klägers vom 08.01.2019. Diese Bemerkung reduziert die türkischen Arbeitskollegen auf lebensunwerte Wesen und stellt einen unmittelbaren Bezug zu den nationalsozialistischen Gräueltaten her. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens war der Beklagten eine vorherige Abmahnung unzumutbar. Die Interessenabwägung fiel trotz des hohen sozialen Besitzstandes und den eher schlechten Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt zu dessen Lasten aus. Allein der Vorfall vom 08.01.2019 zeigt für sich betrachtet bereits eine derart menschenverachtende Einstellung des Klägers gegenüber den türkischstämmigen Beschäftigten, die es der Beklagten nicht zumutbar macht, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil der Kläger vor seinen Äußerungen zur „Gaskammer“ in keiner Weise von anderen Mitarbeitern gereizt oder verbal angegriffen worden ist. Die Äußerung fiel vielmehr als Antwort auf die völlig unverfängliche Frage des Kollegen, was der Kläger denn zu Weihnachten bekommen habe. Die Kammer hat weiter berücksichtigt, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorfall handelte, sondern der Kläger bereits zuvor andere Mitarbeiter wiederholt erheblich beleidigt und zusätzlich seinen sozialen Besitzstand dazu ausgenutzt hat, sich als unangreifbar darzustellen. Nach den Feststellungen der 5. Kammer wurden der Betriebsrat und die in diesem Fall mangels örtlicher Schwerbehindertenvertretung zuständige Gesamtschwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.“
Siehe auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.01.2020 – 4 Sa 19/19, NZA-RR 2020, 253:
„Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, sind grundsätzlich geeignet, einen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund darzustellen (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 -). Es handelt sich hierbei um einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 -). Entsprechendes gilt für das Äußern ausländerfeindlicher oder rassistischer Parolen, insbesondere dann, wenn sie volksverhetzenden Charakter haben (LAG Baden-Württemberg 25. März 2009 – 2 Sa 94/08 -).“
Das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt am Main hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der betroffene Arbeitnehmer dem Vorwurf rassistisch eingestellt zu sein, ausgesetzt war (ArbG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.07.2016 – 15 Ca 1744/16).
Konkret sollte sich der Arbeitnehmer durch wiederholte Verwendung des Wortes „Negerkuss“ bei der Bestellung eines Schaumkusses gegenüber der Angestellten in einer Kantine pflichtwidrig verhalten haben. Der Arbeitgeber hatte dies zum Anlass genommen, eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung auszusprechen. Das ArbG hält das für unverhältnismäßig.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Legt man den sodann „verbleibenden“ Vorwurf der Beklagten zugrunde, nämlich – vereinfacht ausgedrückt – die wiederholte und von Frau B beanstandete Bestellung eines „Negerkuss“ und die auf die Bemerkung eines Kollegen hin ergangene Erklärung, Rassist zu sein und dazu zu stehen, ist festzuhalten, dass das Verhalten des Klägers als rassistisch zu werten ist und von einer Pflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB), die dem Grunde nach eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, auszugehen ist. Die Kammer erachtet die Kündigung jedoch wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für unwirksam. Gegenüber dem Kläger wurde keine Abmahnung ausgesprochen und damit der Ultima-ratio-Grundsatz verletzt.“
Das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz hatte darüber zu entscheiden, ob insgesamt vier Mitarbeitern der Stadt Worms deshalb außerordentlich und fristlos gekündigt werden durfte, weil die Mitarbeiter in einer WhatsApp-Gruppe Bilder mit fremdenfeindlichen Inhalt ausgetauscht hatten (ArbG Mainz, Urt. v. 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17, 4 Ca 1241/17, 4 Ca 1242/17 und 4 Ca 1243/17).
Das Gericht sieht die durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen als unwirksam an. Es argumentiert damit, dass der Tausch der Bilder auf privaten Smartphones geschehen sei. Die Mitarbeiter hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Bilder bzw. die über die Smartphones geführte Kommunikation nicht nach außen getragen werden würde. Das Arbeitsgericht weist zudem auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hin, wonach es in derartigen Fällen nicht zulasten des sich äußernden Arbeitnehmers gehen dürfe, wenn ein Gesprächspartner die Vertraulichkeit des Wortes aufhebe und den Arbeitgeber über den Inhalt der Kommunikation informiere.
Siehe auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 05.12.2019 – 17 Sa 3/19 (beleidigende, islamfeindliche Äußerungen eines Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitskollegen).
BVerfG, Beschluss vom 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19 [Erfolglose Verfassungsbeschwerde zu einer arbeitsrechtlichen Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung (Pressemitteilung)]:
„Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung erachteten die Arbeitsgerichte als wirksam. Dagegen berief sich der Beschwerdeführer auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Seine Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg. Insbesondere waren die Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, wonach die Äußerung eine menschenverachtende Diskriminierung darstellt, die sich nicht unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war Betriebsratsmitglied. Im Rahmen einer Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Auch aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Beschwerdeführer die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Gerichte für Arbeitssachen erachteten diese nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig.
Der Beschwerdeführer rügte mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzten, indem sie die Kündigung für rechtmäßig erachteten. Sie hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig; sie wäre aber auch unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben die Wertungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie aus Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskriminierungsverbot) ergeben, nicht verkannt. Sie verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG.
Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, ist auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordert im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit tritt aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt. Sie stützen sich auf §§ 104, 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden. Sie begründen ausführlich, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung ist ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtwürdigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“
Siehe auch unsere Ausführungen zum Stichwort „fremdenfeindliche Äußerungen“.
(Letzte Aktualisierung: 08.04.2021)
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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt