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Kündigungsgründe Arbeitsvertrag A-Z

Krankheit

Der Arbeitgeber kann unter engen Voraussetzungen ein Arbeitsverhältnis wegen häufiger Kurzerkrankungen und auch wegen einer lang anhaltenden Erkrankung kündigen. Hierzu heißt es beispielsweise beim Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 08.11.2007 – 2 AZR 292/06):

„Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der erkennende Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-) Erkrankungen entwickelt hat (…). Danach ist zunächst – erste Stufe – eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen, und zwar bezogen auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Dabei ist u. a. zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind und ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers in die Abwägung einzubeziehen (…).“

Im Übrigen ist folgende, weitere Rechtsprechung beachtenswert:

1. BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056 m. Anm. Vossen in DB 2018, 2120 [Leitsatz]:

„Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines nach § 34 Abs. 2 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses kann – vorbehaltlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall – vorliegen, wenn damit zu rechnen ist, der Arbeitgeber werde für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten müssen.“

Im Orientierungssatz heißt es weiter:

1. Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls, für die Erstellung der Gesundheitsprognose ein Referenzzeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung maßgeblich. Ist eine Arbeitnehmervertretung gebildet, ist auf die letzten drei Jahre vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens abzustellen.

2. Wann das Äquivalenzverhältnis von Entgeltzahlungen des Arbeitgebers und Arbeitsleistung aufgrund zu erwartender Entgeltfortzahlungskosten als so schwer („gravierend“) gestört anzusehen ist, dass dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, an einem ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnis dauerhaft festzuhalten, hängt maßgeblich davon ab, wie der dem Arbeitnehmer zukommende Sonderkündigungsschutz ausgestaltet ist.

3. Mit der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist kündigen zu können, wenn der Leistungsaustausch dauerhaft in seinem Kernbereich gestört ist, wird in angemessener Weise das legitime Ziel i.S.d. Richtlinie EGRL 78/2000 verfolgt, übermäßigen Belastungen des Arbeitgebers durch wiederkehrende krankheitsbedingte Fehlzeiten zu begegnen.

2. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02.04.2015 – 10 Sa 1702/14:

„1. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn die Beschäftigung auf einem weniger belastenden Arbeitsplatz möglich ist.

2. Ob ein Arbeitsplatz weniger belastend ist, kann das Gericht je nach Parteivortrag nach Würdigung des Parteivortrags und nach seiner freien Überzeugung entscheiden.“

3. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 07.03.2017 – 2 Sa 158/16 m. Anm. Lipinski/Kaindl, DB 2017, 1720:

„1. Der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen ist auch dann anzulegen, wenn sich unter den medizinischen Ausfallursachen einzelne Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben (…).

2. Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall aus.

3. Lebenskrisen wie beispielsweise eine Scheidung können zu einem vorübergehenden Verlust des Lebensmuts führen, der sich in krankheitsbedingten Ausfallzeiten niederschlägt. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen fortzuführen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann man daher nicht davon ausgehen, dass eine noch nicht ausgestandene Lebenskrise zukünftig notwendig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen.

4. Soll die Fehlzeitenprognose auch mit der Krankheitsanfälligkeit des Arbeitsnehmers gestützt werden, verlangt das zunächst die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt (…). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Fehlzeitenprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit.“

4. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.07.2017 – 3 Sa 153/17 m. Anm. Vossen, DB 2018, 450 [§ 84 Abs. 2 SGB IX ist inzwischen durch § 167 Abs. 2 SGB IX ersetzt]:

„Nach der Rechtsprechung des BAG (…) ist eine krankheitsbedingte Kündigung im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund

– objektiver Umstände (insbes. bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin (»Wiederholungsgefahr«) mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss (negative Gesundheitsprognose):

– die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen (erhebliche betriebliche Auswirkungen haben) und

– sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt (…).

Zu beachten ist des Weiteren das das gesamte Kündigungsrecht beherrschende Verhältnismäßigkeitsprinzip: Auch eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch mildere Mittel vermieden werden kann (…). d. h. wenn die Kündigung zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist (…).

Auch bei personenbedingten Kündigungen ist also unter Anwendung des Ultima-Ratio-Prinzips nach milderen Mitteln zur Erreichung künftiger Vertragstreue zu suchen; hierfür kommen sowohl eine Abmahnung bei steuerbarem Verhalten als auch eine Versetzungsmöglichkeit in Betracht (…).

Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer krankheilsbedingten Kündigung ist zunächst eine begründete negative Gesundheilsprognose. Denn eine Kündigung stellt keine Sanktion für vergangenheitsbezogenes Fehlverhalten dar, sondern ist nur ein Instrument, um betriebswirtschaftlich unvertretbaren Besetzungen von Arbeitsplätzen für die Zukunft zu begegnen.

Dafür muss der Arbeitnehmer Fehlzeiten infolge Krankheit in voraussichtlich so großem Umfang aufweisen wird, dass diese zu erheblichen und deshalb dem Arbeitgeber letztlich nicht mehr zumutbaren betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Störungen führen würden. Beide Komponenten (Prognose krankheitsbedingter Fehlzeiten und die Prognose erheblicher betrieblicher und/oder wirtschaftlicher Belastungen) bilden den Kündigungsgrund (…).

Eine negative Gesundheilsprognose liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (…) aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang (aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer lang anhaltenden Erkrankung) fernbleiben wird (…). Trotz §§ 3 ff. EFZG kommt es nicht auf eine Überschreitung von 30 Arbeitstagen pro Jahr an: eine Prognose von 12 Arbeitstagen jährlich kann folglich genügen (…); ob die Grenze von 30 Arbeitstagen (§§ 3 ff. EFZG) überschritten wird, ist erst in der zweiten Stufe von Belang. Die negative Gesundheitsprognose muss in diesem Sinne eine objektive sein (…).

Für diese Prognose spielen die bisherigen, objektiv feststellbaren Krankheilszeiten keine unmittelbare, allerdings eine mittelbare Rolle. Insoweit können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative (Gesundheitsprognose begründen.

Insoweit ist es nicht stets erforderlich, die Sechs-Wochenfrist des EFZG vor dem Ausspruch einer Kündigung abzuwarten. Die negative Gesundheitsprognose ist auch dann begründet, wenn der Arbeitnehmer erst kurze Zeit erkrankt ist. und die konkreten Umstände (etwa unfallbedingte schwere Verletzungen) die Prognose einer lang andauernden Erkrankung dennoch rechtfertigen.

Eine danach begründete negative Gesundheitsprognose des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer dadurch entkräften, dass er darlegt, aufgrund welcher Umstände (etwa eine bevorstehende Operation, der fortgeschrittene Heilungsprozess, ggf. die Entdeckung eines neuartigen Heilmittels) mit seiner alsbaldigen Genesung und der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (…).

Nach der Rechtsprechung des BAG (…) ist die krankheitsbedingte Kündigung wie auch die personenbedingte Kündigung im Übrigen nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich im Einzelfall nach Maßgabe einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aufgrund der prognostizierten Belastung eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt, so dass die prognostizierten betrieblichen Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht (mehr) hinzunehmen sind (…).

Diese Interessenabwägung muss also insbes. alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Sie muss vollständig sein, sie darf keine Widersprüche aufweisen.

Welche Umstände gegeneinander jeweils abzuwägen sind, richtet sich u. a. nach der Art des Kündigungsgrundes. Es ist daher nicht möglich, einen Katalog von wesentlichen Umständen aufzustellen, der in jedem Einzelfall der Interessenabwägung zugrunde zu legen ist (…).

Von maßgeblicher Bedeutung sind allerdings auch bei der personenbedingten Kündigung jedenfalls die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, das Ausmaß der Unterhaltsverpflichtungen sowie die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers (…).

Hat ein Arbeitnehmer – im konkret entschiedenen Einzelfall beginnend mit dem 20. Lebensjahr – seine Berufszeit ausschließlich bei demselben Arbeitgeber verbracht, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung in einer Weise zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber im fortgeschrittenen Lebensalter des Arbeitnehmers eine höhere Belastung mit Fehltagen und hieraus entstehenden Kosten zuzumuten ist (…). Berücksichtigung linden können auch die schlechten Vermittlungschancen eines Ausländers auf dem Arbeitsmarkt (…).

Im Rahmen einer krankheilsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen. Das schließt es in Fällen dauerhafter Leistungsunfähigkeit oder völliger Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht aus, im Einzelfall das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten, auch wenn die Leistungsunfähigkeit im Zusammenhang mit einem Arbeitsanfall steht (…).

Zugunsten des Arbeitgebers sind insbes. die betrieblichen Beeinträchtigungen, die Höhe der Entgeltfortzahlungskosten und die Kosten für eine Personalreserve zu berücksichtigen (…).

Ob die finanzielle Belastung des Arbeitgebers – insbes. durch die nach der negativen Gesundheitsprognose in Zukunft aufzuwendenden Entgeltfortzahlungskosten – dem Arbeitgeber noch zumutbar sind, hängt insbes. von der Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses ab.

Je länger das Arbeitsverhältnis ungestört i.S.d. Nichtvorliegens krankheitsbedingter Fehlzeiten bestanden hat, desto mehr Rücksichtnahme ist vom Arbeitgeber zu erwarten (…) und desto eher sind dem Arbeitgeber die nunmehr durch Fehlzeiten entstehenden betrieblichen Belastungen zuzumuten.

Ein ungestörter Verlauf des Arbeitsverhältnisses liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitnehmer im Jahr nicht länger als 6 Wochen arbeitsunfähig krank gewesen ist (…), sondern nur dann, wenn während des bisherigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses keine oder nur unwesentliche Fehlzeiten aufgetreten sind (…).

Dazu das BAG (6.9.1989 – 2 AZR 19/89EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 26:

„Das Berufungsgericht durfte ferner zugunsten der Beklagten werten, dass das Arbeitsverhältnis vom zweiten Beschäftigungsjahr an mit erheblichen krankheitsbedingten und Lohnfortzahlungskosten auslösenden Ausfallzeiten belastet war. Im Rahmen der Interessenabwägung ist insoweit auch die gesamte tatsächliche bisherige Belastung mit Lohnfortzahlungskosten ohne Rücksicht darauf zu berücksichtigen, inwieweit sie für Ausfallzeiten, die auf einmaligen und deshalb nicht für eine Prognose geeigneten Erkrankungen beruhen. Selbst Kosten für Ausfallzeiten, die unter der vom Arbeitgeber hinzunehmenden Mindestgrenze von sechs Wochen pro Jahr liegen, sind bei der Interessenabwägung für die Beantwortung der Frage einzubeziehen, inwieweit das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist (…).“

Hat ein Arbeitnehmer z. B. beginnend mit dem 20. Lebensjahr seine Berufszeit ausschließlich bei demselben Arbeitgeber verbracht, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung zudem in einer Weise zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber im fortgeschrittenen Lebensalter des Arbeitnehmers eine höhere Belastung mit Fehltagen und daraus entstehenden Kosten zuzumuten ist (…).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist ferner zu prüfen, ob dem Arbeitgeber (weitere) Maßnahmen zur Überbrückung von Fehlzeiten des erkrankten Arbeitnehmers zumutbar sind oder nicht.

Die Möglichkeit der Einstellung von Aushilfskräften ist bei Kurzerkrankungen gegenüber lang anhaltenden Arbeitsunfähigkeitszeiten jedoch eingeschränkt (…). Wesentlich ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, in welchem Umfang der Arbeitgeber eine betriebliche Personalreserve vorbehält.

Je größer diese Personalreserve ist, umso weniger weitere Überbrückungsmaßnahmen sind dem Arbeitgeber allerdings zuzumuten (…)“.

Für die krankheitsbedingte Kündigung ergibt sich folgende abgestufte Darlegungs- und Beweislast, die aus der in § 138 Abs. 2 ZPO angeordneten Wechselwirkung des gegenseitigen Parteivortrags folgt (…).

Zunächst muss der Arbeitgeber neben den krankheitsbedingten Fehlzeiten die Tatsachen darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass der Arbeitnehmer noch auf nicht absehbare Zeit krank ist oder mit häufigeren Kurzerkrankungen in erheblichem Umfang gerechnet werden muss und durch diese zu erwartende Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes betriebliche Störungen bzw. wirtschaftliche Belastungen eintreten, die für den Arbeitgeber unzumutbar sind.

Dabei kann sich der Arbeitgeber wegen der erforderlichen Prognose zunächst darauf beschränken. Art und Dauer der bisherigen Erkrankungen anzugeben, sofern ihm Tatsachen, die eine genaue (Gesundheitsprognose zulassen, unbekannt sind.

Zu berücksichtigen ist, dass der vergangenheitsbezogenen lang andauernden Erkrankung eine gewisse Indizwirkung für die Zukunft zukommt.

Andererseits kann aus der Dauer der Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit noch nicht unmittelbar auf die Dauer der Fehlzeiten in der Zukunft geschlossen werden.

Auch häutige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit begründen eine Indizwirkung für die Prognose entsprechend häufiger Erkrankungen in der Zukunft, insbes. dann z. B.. wenn ein 28-jähriger Arbeiter seit 5.5 Jahren in jedem Jahr zu 27.7 % der Arbeitszeit krankheitsbedingt, bei insgesamt rd. 50 verschiedenen Fehlzeiten ausgefallen ist (…) Entgegen LAG Hamm (4.12.1996 LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 26) gilt diese Indizwirkung nicht nur dann, wenn sich der Beobachtungszeitraum auf drei Jahre oder mindestens zwei Jahre erstreckt (…). Daraus, dass ein Arbeitnehmer in einem Jahr 40 Arbeitstage gefehlt hat, kann jedenfalls, ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte eine negative Gesundheitsprognose nicht abgeleitet werden, weil dieser Beobachtungszeitraum zu kurz, ist (…). Diesem Grundsatz, steht auch nicht entgegen, dass der gekündigte Arbeitnehmer im vorletzten Jahr vor Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise keine erheblichen Fehlzeiten aufzuweisen hatte, da er in diesem Jahr wegen eines vorhergehenden Kündigungsschutzprozesses nur einer erheblich verringerten Arbeitsbelastung (dreimonatiger, von Urlauben unterbrochener Arbeitseinsatz) ausgesetzt war (…).

Der Arbeitgeber darf sich dann darauf beschränken, diese Fehlzeiten im Einzelnen darzulegen (…).

Daraufhin hat der Arbeitnehmer darzulegen, weshalb mit seiner alsbaldigen Genesung bzw. warum in Zukunft mit weniger häufigen Erkrankungen zu rechnen ist (…). Bei häufigen Kurzerkrankungen ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei ihnen gerade regelmäßig eine alsbaldige Genesung eintritt.

Die Indizwirkung vergangenheitsbezogener Krankheitszeiten kann dadurch entkräftet werden, dass sie auf verschiedenen, voneinander unabhängigen Ursachen beruhen und es sich nur um einmalige Erkrankung handelt, deren wiederholtes Auftreten nicht zu besorgen ist. Auch wenn die Erkrankungen aber auf verschiedenen Ursachen beruhen, können sie ausnahmsweise Indizwirkung für künftige Erkrankungen entwickeln. Insbesondere kann sich bei einer Kündigung wegen häutiger Kurzerkrankungen im Rahmen der Feststellung der Gesundheitsprognose aus der Gesamtheit des Krankheitsbildes auch eine persönliche konstitutionelle Schwäche und damit eine besondere Krankheitsanfälligkeit des konkret betroffenen Arbeitnehmers ergeben (…). Insoweit ist nicht auf einen „starren“ Zeitraum der letzten drei Jahre abzustellen. Ausreichend für eine Indizwirkung sind hinreichende prognosefähige Fehlzeitenräume. Dies können die letzten drei Jahre sein, müssen es aber nicht. Ausreichend kann sowohl ein kürzerer Zeitraum als auch bei einzelnen Fehlzeiten erst ein längerer Zeitraum sein, um eine negative Prognose zu rechtfertigen (…). Entsprechendes gilt für die Art und Häufigkeit der Erkrankungen. Es stellt der Bildung einer negativen Prognose nicht entgegen, dass die Fehlzeiten auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Solche verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (…).

Wenn die bisherigen Fehlzeiten vor allem auf Erkältungs- bzw. Entzündungserkrankungen sowie auf Beschwerden des Bewegungsapparats basieren, liegt – wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen bspw. Operationen) ergriffen worden sind – grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt sind, Sie zeugen von einer gewissen Anfälligkeit. Anders verhält es sich mit solchen Fehlzeiten die auf einem einmaligen Ereignis beruhen und keine Prognose für die zukünftige Entwicklung zulassen (…) Auch wenn die einzelnen Erkrankungen tatsächlich ausgeheilt sind, kann sich aus der Häufigkeit der Erkältungs- oder Entzündungserkrankungen .schließen lassen, dass der Arbeitnehmer zu bestimmten Erkrankungen „neigt“ und deshalb eine besondere Krankheitsanfälligkeit vorliegt. Daher besteht dann auch zukünftig die Gefahr, dass der Arbeitnehmer auf Grund der entsprechenden Erkrankungen wieder ausfallen wird (…). Deshalb kann u. U. die Kündigung auch auf solche Kurzerkrankungen gestützt werden, die zwar je für sich gesehen als »ausgeheilt« angesehen werden können, in einem ausreichend lang bemessenen Referenzzeitraum aber in ungewöhnlicher Häufung und Varianz, immer wieder aufgetreten sind (…). In einem derartigen Fall muss der Arbeitnehmer, um die Gesundheitsprognose zu erschüttern, konkret darlegen, dass und ggf. wann welcher ihn behandelnde Arzt die künftige Entwicklung seiner Erkrankungszeiten vor welchem tatsächlichen Hintergrund positiv beurteilt hat. Es reicht dann nicht aus. die Einzeldiagnosen offen zu legen, die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und ohne näheren Vortrag pauschal unter Berufung auf das Zeugnis seiner Ärzte zu behaupten, die Einzelerkrankungen seien jeweils ausgeheilt, um die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern (…).

Das BAG (…) geht davon aus, dass der Arbeitnehmer, dem es an eigener Sachkunde fehlt, seiner Darlegungslast durch das Bestreiten der Behauptung weiterer entsprechender Fehlzeiten in der Zukunft sowie die Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht genügt. Voraussetzung ist allerdings, dass darin die Darstellung zu sehen ist, die Ärzte hätten ihm gegenüber die künftige gesundheitliche Entwicklung bereits tatsächlich positiv beurteilt. Weigert sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so ist es ihm dennoch nicht verwehrt, im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis zu bestreiten (…).

Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein vom Arbeitnehmer behaupteter ursächlicher Zusammenhang zwischen der Krankheit und betrieblichen Gründen nicht besteht. Dieser genügt er zunächst, wenn er die betriebliche Tätigkeit des Arbeitnehmers schildert und einen ursächlichen Zusammenhang bestreitet (…). Behauptet der Arbeitnehmer einen Zusammenhang zu betrieblichen Gründen, so muss er ihn konkret dartun.

Stehen die in der Vergangenheit angefallenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursache fest, so hat der Tatrichter nach § 286 ZPO zu entscheiden, ob die Umstände die Annahme entsprechender Ausfälle in Zukunft rechtfertigen. Maßgeblich ist die objektive Sachlage z. Z. des Zugangs der Kündigung (…).

Für die Tatsachen, aus denen sich die erheblichen und unzumutbaren betrieblichen Störungen bzw. Belastungen ergeben sollen, ist der Arbeitgeber in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig, da insoweit von ihm die notwendige volle Sachkenntnis erwartet werden kann (…).

Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber z. B. die aufgetretenen Störungen nach Ort. Datum, Verlauf und Auswirkungen konkret schildern muss. Schlagwortartige Umschreibungen wie »es traten Produktionsstörungen auf« genügen nicht.

Soweit Entgeltfortzahlungskosten als erhebliche betriebliche (wirtschaftliche) Belastungen i.S.d. Kündigungsschutzrechts anerkannt werden (…), muss dies der Arbeitgeber in vollem Umfang darlegen und beweisen hinsichtlich Art, Umfang und Dauer der Entgeltfortzahlungskosten sowie deren Prognose, d. h. des Auftretens entsprechender Belastungen in der Zukunft.

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend eine negative Gesundheitsprognose gegeben. Es ist nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen davon auszugehen, dass beim Kläger auch in Zukunft jährlich erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten, die über 30 Arbeitstage pro Jahr hinausgehen, anfallen werden. Das ergibt sich aus der Indizwirkung der Fehlzeiten in der Vergangenheit, die ab 2011 stets mit Ausnahme des Jahres 2013 deutlich über dem insoweit zu fordernden Maß liegen; sie betrugen 37 Arbeitstage 2011, 84 Arbeitstage 2012, 28 Arbeitstage 2013, 45 Arbeitstage 2014 und 91 Arbeitstage 2015. Dabei kommt den unterschiedlichen Erkrankungen des Klägers insgesamt prognostische Bedeutung zu; die Herausrechnung einzelner krankheitsbedingter Fehlzeiten kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat insoweit keinerlei Tatsachen vorgetragen, die z.B. auf eine Heilbehandlung schließen lassen könnten, mit der Folge, dass bestimmte Krankheiten sich in Zukunft nicht wiederholen werden. Vielmehr sind die Diagnosen derart vielschichtig und unterschiedlich, dass zwar im Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass z.B. eine akute Bronchitis nach einigen Tagen abgeklungen ist; die Vielzahl unterschiedlichster Erkrankungen lässt aber auf eine besondere konstitutionelle Krankheitsanfälligkeit des Klägers schließen, die keinen anderen Schluss zulässt als den, dass sich auch in Zukunft erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund unterschiedlichster Krankheitsbilder nicht vermeiden lassen wird.

Diese zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten werden auch zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen. Das gilt einmal für die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten; insoweit können die von der Beklagten in der Vergangenheit aufgewandten Beträge, die deutlich über den jährlich für Entgeltfortzahlungen nach dem EFZG aufzuwendenden Beträgen liegen, als Prognosegrundlage herangezogen werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit geringeren Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen sein könnte, bestehen nicht. Im Gegenteil: Im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers ist er im Hinblick auf das fortschreitende Alter mit höheren Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen. Des Weiteren hat die Beklagte substantiiert und vom Kläger nicht substantiiert bestritten dargelegt, dass sich bei den Arbeitskollegen des Klägers in erheblichem Ausmaß Überstunden aufgebaut haben. Dies liegt im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Arbeitstätigkeit des Klägers schon deshalb nahe, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger arbeitsvertraglich beschäftigt wurde, ohne eine konkrete Arbeitstätigkeit zu leisten. Folglich muss die von ihm krankheitsbedingt nicht verrichtete Arbeitstätigkeit anderweitig ausgeführt werden. Dass dies ohne Überstunden durch die Arbeitskollegen ohne überobligationsmäßige Anstrengungen auch nur möglich wäre, behauptet der Kläger nicht.

Die abschließend durchzuführende Interessenabwägung führt vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers zu einem Überwiegen des Interesses der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis bereits seit 2007; seit 2011 ist es aber bereits durch kündigungsrechtlich relevante Fehlzeiten nebst erheblichen betrieblichen Auswirkungen beeinträchtigt. Störungsfrei ist es auch in den Jahren 2009 und 2010 nicht verlaufen, weil 2009 bereits 13 und 2010 17 Arbeitstage als krankheitsbedingte Fehlzeiten angefallen sind. Der ungestörte Bestand des Arbeitsverhältnisses trägt damit allenfalls 3 Jahre, zu Gunsten des Klägers das Jahr 2009 noch mitberücksichtigt. Das Lebensalter des Klägers führt zu keiner besonderen Schutzbedürftigkeit, im Gegenteil. Es würde im Hinblick auf die bereits in den letzten Jahren aufgetretenen Fehlzeiten eine nicht hinnehmbare Belastung der Beklagten darstellen, das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis mit der Prognose zunehmender Fehlzeiten nebst entsprechenden erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen über mehrere Jahrzehnte hinweg bis zum Renteneintritt des Klägers fortzusetzen. Andererseits bedeutet die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung keine besondere Härte für den noch jungen Kläger, da die Lage am Arbeitsmarkt sich relativ positiv darstellt. Auch bei Berücksichtigung des Familienstandes des Klägers und einer bestehenden Kindesunterhaltspflicht überwiegt daher im hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalt das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 84 Abs. 2 SGB IX gegenüber Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkranken, ein BEM durchzuführen, besteht unabhängig von der Art und den Ursachen der Erkrankung. Auch wenn krankheitsbedingte Fehlzeiten auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich aus ihnen zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten – eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das BEM entgegenwirken soll (…).

Damit sieht das Gesetz einen frühen Beginn der Präventionspflicht des Arbeitgebers bei Krankheit vor. Sind Beschäftigte länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung, insbes. dem Betriebsrat, bei schwer behinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, ggf. unter Hinzuziehung von Betriebs- oder Werksarzt, den örtlichen gemeinsamen Servicestellen und des Integrationsamtes mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (…). Dafür genügt es, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, ggf. in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen betragen haben. Nicht erforderlich is,. dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab (…).

Nach Auffassung des BAG (…) gilt allerdings Folgendes:

Kündigt der Arbeitgeber, ohne zuvor dieses Präventionsverfahren durchzuführen. so führt dies für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung: die Einhaltung des Verfahrens gem. § 167 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigungen gegenüber Schwerbehinderten (…) und begründet auch keine Vermutung einer Benachteiligung wegen einer Behinderung (BAG 28. 4. 2011 EzA § 22 AGG Nr. 4). Die Vorschrift stellt lediglich eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (…): danach ist eine Kündigung unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel vermieden werden kann. d. h. wenn die Kündigung nicht zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung geeignet oder nicht erforderlich ist (…). Es handelt sich damit also keineswegs nur um eine bloße Ordnungsvorschrift mit Appellativcharakter, deren Missachtung in jedem Fall folgenlos bliebe (…). Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist zwar für sich gesehen kein milderes Mittel i.S.d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Durch es können aber solche milderen Mittel, z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen »freizumachenden« – Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (…).

Führt der Arbeitgeber kein BEM durch, so hat dies folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten (…). Der Arbeitgeber hat dann von sich aus darzulegen, weshalb denkbare oder vom Arbeitnehmer aufgezeigte Alternativen zu den bestehenden Beschäftigungsbedingungen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten nicht in Betracht kommen, Er muss deshalb dann umfassend darlegen und beweisen, warum es in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (…). Dabei obliegt es ihm nicht nur. die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG aufzuzeigen. Vielmehr hat er schon nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG auf im Kündigungszeitpunkt bestehende außerbetriebliche Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Dem Ziel, solche Möglichkeiten zu erkennen, dient wiederum das BEM (…).

Der Arbeitgeber kann sich ohne BEM nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt. Denn der Arbeitgeber darf aus seiner dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile ziehen. Es bedarf vielmehr eines umfassenden konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz und einer nicht durchführbaren leidensgerechten Anpassung und Veränderung des Arbeitsplatzes bzw. eines alternativen Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz. (…).

Allerdings kann eine Kündigung nicht allein deshalb wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip als sozial ungerechtfertigt qualifiziert werden, weil das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt wurde. Es müssen vielmehr auch bei gehöriger Durchführung des BEM überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten. Folglich steht ein unterlassenes BEM einer Kündigung dann nicht entgegen, wenn sie auch durch das BEM nicht hätte verhindert werden können (…).

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass § 84 Abs. 2 SGB IX lediglich eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt (…). Danach ist eine Kündigung zwar unverhältnismäßig und folglich rechtsunwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel vermieden werden kann; das BEM ist aber für sich gesehen kein milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Durchaus können aber solche milderen Mittel, z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Anhaltspunkte dafür, dass derartige Möglichkeiten vorliegend bestanden hätten, lassen sich dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nicht entnehmen. Die Beklagte hat vielmehr nachvollziehbar dargelegt, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht besteht. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass betriebliche Ursachen für die aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgeschlossen sind und die vertraglich geschuldete Arbeitstätigkeit des Klägers nicht von vorneherein so gestaltet ist, dass andere ähnliche, aber weniger belastende Arbeitstätigkeiten als möglich erscheinen, hat die Beklagte ihrer Darlegungslast, weshalb denkbare Alternativen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten nicht in Betracht kommen, genügt. Aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles genügt das Vorbringen der Beklagten, um anzunehmen, dass ein BEM in keinem Fall hätte dazu beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen ergibt sich aus den zuvor dargelegten Umständen; erfolgversprechende Therapiemöglichkeiten sind bereits im Ansatz nicht erkennbar. Irgendwelche Alternativen zu den bestehenden Beschäftigungsbedingungen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten hat der Kläger nicht aufgezeigt, so dass insoweit auch weitergehendes Vorbringen der Beklagten nicht veranlasst war. Im Gegenteil: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in der Vergangenheit ein BEM erfolglos durchgeführt worden ist und lediglich zu der zwischen den Parteien unstreitigen Erkenntnis geführt hat, dass die krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind. Auch deshalb erschien gegen die Durchführung eines BEM vorliegend nutzlos. Das vorliegend unterlassene BEM steht der streitgegenständlichen Kündigung folglich nicht entgegen, weil sie auch durch das BEM nicht hätte verhindert werden können.“

Siehe auch unsere Ausführungen zum Stichwort „Vorgetäuschte Krankheit“ und den Aufsatz von Plocher in DB 2015, S. 2083 ff.

Zu einer Checkliste für eine arbeitgeberseitige Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen siehe Inhester/Schimmelpfennig, DB 2018, 124 ff.

(Letzte Aktualisierung: 12.09.2018)

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