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Handels- und Gesellschaftsrecht

Ehegatteninnengesellschaft

Unter bestimmten Voraussetzungen bejaht die Rechtsprechung zwischen Eheleuten, Familienangehörigen und Lebenspartnern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), das auch aufgrund stillschweigender Vereinbarung. Eine rein faktische Willensübereinstimmung soll jedoch nicht genügen. In vielen Fällen handelt es sich um eine Innengesellschaft. Im Kern geht es um gesellschaftsrechtlich geprägte Ausgleichsansprüche, die neben einem Anspruch auf familienrechtlich gelagerten Zugewinnausgleich bestehen können.

BGH, Beschl. v. 06.03.2024 – XII ZB 159/23, NJW 2024, 1813:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Ausgleich nach den §§ 730 ff. BGB in Betracht kommen, wenn Ehegatten ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2011 – XII ZR 190/08 – FamRZ 2011, 1563 Rn. 14 mwN). Für das Zustandekommen einer solchen Ehegatteninnengesellschaft durch konkludenten Vertragsschluss kommt es dabei maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit einer Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit einen über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen, und ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich betrachtet nicht nur dem formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll. Indizien für eine nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu bewertende Zusammenarbeit der Ehegatten, die einen zumindest schlüssig zustande gekommenen Vertrag erfordert, können sich beispielsweise aus der Planung, dem Umfang und der Dauer der Vermögensbildung sowie aus Absprachen über die Verwendung und Wiederanlage erzielter Erträge ergeben (vgl. Senatsurteile BGHZ 155, 249 = FamRZ 2003, 1454, 1456 mwN und vom 3. Februar 2016 – XII ZR 29/13 – FamRZ 2016, 965 Rn. 23 mwN). Ein Zusammenschluss zu einer Ehegatteninnengesellschaft durch schlüssiges Verhalten ist dabei nur dann anzunehmen, wenn aus dem Verhalten der Ehegatten deren Wille deutlich wird, neben der ehelichen Gemeinschaft eine rechtliche Bindung gesellschaftsrechtlicher Art einzugehen, wobei sie sich dieser rechtlichen Einordnung nicht bewusst sein müssen (vgl. Senatsurteile vom 8. April 1987 – IVb ZR 43/86 – FamRZ 1987, 907, 908 und BGHZ 165, 1 = FamRZ 2006, 607, 608; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1115).

Wird durch die Mitwirkung beider Ehegatten in dem von einem Ehegatten betriebenen Unternehmen Vermögen gebildet, kann für das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft insbesondere sprechen, dass die Ehegatten das Unternehmen gemeinsam aufbauen wollten, sie mithin nicht lediglich in dem von einem der Ehegatten in die Ehe eingebrachten laufenden Unternehmen zusammengearbeitet haben (vgl. Senatsurteil BGHZ 165, 1 = FamRZ 2006, 607, 608; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1128). Auch die Übernahme bedeutsamer Funktionen in dem Unternehmen durch den dinglich nicht berechtigten Ehegatten und ein erheblicher Einsatz von finanziellen Mitteln oder der eigenen Arbeitskraft durch diesen können auf den stillschweigenden Zusammenschluss der Ehegatten zu einer Innengesellschaft hindeuten (vgl. Senatsurteile BGHZ 155, 249 = FamRZ 2003, 1454, 1456 und BGHZ 142, 137 = FamRZ 1999, 1580, 1582 mwN; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1130 f.). Dagegen darf das Erfordernis der gleichgeordneten Mitarbeit nicht überbetont werden, solange nur jeder Ehegatte für die Gesellschaft einen nennenswerten und für den erstrebten Erfolg bedeutsamen Beitrag leistet (vgl. Senatsurteile BGHZ 155, 249 = FamRZ 2003, 1454, 1456 mwN und vom 3. Februar 2016 – XII ZR 29/13 – FamRZ 2016, 965 Rn. 23 mwN).

Die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft darf aber nicht zu den von den Ehegatten ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen in Widerspruch stehen. Vielmehr gehen ausdrückliche Abreden einem nur konkludent zum Ausdruck gekommenen Willen vor (vgl. Senatsurteil BGHZ 165, 1 = FamRZ 2006, 607, 608 mwN). Die bloße Vereinbarung von Gütertrennung spricht allerdings nicht ohne Weiteres gegen das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft (vgl. Senatsurteil BGHZ 142, 137 = FamRZ 1999, 1580, 1582 mwN; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1138), auch wenn mit einem gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruch im wirtschaftlichen Ergebnis das Gegenteil dessen erreicht würde, was die Ehegatten mit der Vereinbarung von Gütertrennung bezweckten (vgl. Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1138; Erbarth NZFam 2018, 1129, 1136).

Hat ein Ehegatte im Unternehmen des anderen auf der Grundlage einer ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, etwa eines Arbeitsvertrags, mitgearbeitet, richten sich dessen Ansprüche grundsätzlich nach den vertraglichen Bestimmungen (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1995 – XII ZR 132/93 – FamRZ 1995, 1062, 1064 mwN; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1106, 1114). Voraussetzung ist insoweit indes, dass der Tätigkeit des nicht am Unternehmen berechtigten Ehegatten ein wirksam begründetes Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, der Arbeitsvertrag mithin nicht lediglich zum Schein (§ 117 BGB) geschlossen wurde. Letzteres liegt nicht fern, wenn die tatsächlichen Verhältnisse abweichend von den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen gestaltet wurden, insbesondere die vom dinglich nicht berechtigten Ehegatten tatsächlich erbrachte Tätigkeit weit über die vertraglich vereinbarte Tätigkeit hinausging (vgl. Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1114).

Gegen einen auf Gründung einer Ehegatteninnengesellschaft gerichteten Rechtsbindungswillen der Ehegatten kann überdies sprechen, dass die dingliche Zuordnung des Geschäftsvermögens zu nur einem der Ehegatten dem Zweck diente, gemeinsam aufgebautes oder zu schaffendes Vermögen den Gläubigern des anderen Ehegatten vorzuenthalten (sog. haftungsgünstige Vermögensverteilung; vgl. zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft: Senatsurteil vom 6. Juli 2011 – XII ZR 190/08 – FamRZ 2011, 1563 Rn. 17 mwN; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2004, 877, 878; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 1133 mwN; Schiebel NJW-Spezial 2004, 343, 344; aA KG FamRZ 2017, 608, 610).

Ob im Einzelfall eine Ehegatteninnengesellschaft durch schlüssiges Verhalten der Ehegatten zustande gekommen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen (vgl. Senatsurteil BGHZ 165, 1 = FamRZ 2006, 607, 608). Die hierfür erforderliche Auslegung obliegt dabei dem Tatrichter und ist rechtsbeschwerderechtlich nur darauf überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2016 – XII ZR 29/13 – FamRZ 2016, 965 Rn. 30 mwN).“

OLG Brandenburg, Urt. v. 23.02.2022 – 7 U 133/20, NZG 2022, 452 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Die Annahme einer gemeinsamen Innengesellschaft unter Eheleuten kann begründet sein, wenn die Eheleute einen über die Lebens- und Familiengemeinschaft hinaus gehenden gemeinsamen Zweck verfolgen, indem sie durch Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Vermögen aufbauen oder berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten ausüben. Ist dagegen ein solcher Zweck nicht gegeben, und gilt der Einsatz von Vermögen und Arbeit nur dem Bestreben, die Voraussetzungen für die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu schaffen, etwa durch den Bau eines Familienheims, oder geht die Mitarbeit nicht über den Rahmen eines für die Ehegattenmitarbeit Üblichen hinaus, scheidet eine konkludente Ehegatteninnengesellschaft aus. Auch die bloße Besorgung von Geldmitteln durch Kredit oder die Gewährung von Sicherheiten für den Geschäftsbetrieb eines Ehegatten ohne weitere gleichberechtigte Beteiligung an Aufbau und Führung des Geschäfts reicht zur Annahme einer konkludent zustande gekommenen Innengesellschaft nicht aus (…). Zudem muss eine nicht lediglich untergeordnete, sondern eine gleichgeordnete Tätigkeit unter beiderseitiger Beteiligung an Gewinn und Verlust vorliegen, wobei Gleichordnung nicht als finanziell oder wirtschaftlich gleichwertig zu verstehen ist (…). Maßgeblich ist vielmehr die gleichberechtigte Mitarbeit bzw. Beteiligung. Nicht erforderlich ist, dass die Eheleute ihr Zusammenwirken als gesellschaftsrechtliche Beziehung qualifizieren. Vielmehr reicht das erkennbare Interesse aus, der Zusammenarbeit der Ehegatten über die bloßen Ehewirkungen hinaus einen dauerhaften, auch die Vermögensfolgen mit umfassenden Rahmen zu geben, was auch durch Abreden über die Ergebnisverwendung zum Ausdruck kommen kann (…). Planung, Umfang und Dauer der Kooperation und Absprachen über die Verwendung von Vermögen und deren Anlage können insoweit Indizien darstellen (…).“

Siehe auch KG, Beschl. v. 06.12.2016 – 18 UF 33/16:

„Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dem Anspruch nicht von vornherein entgegen, dass sich der Antragsteller auf den im Rahmen der Scheidung durchzuführenden Zugewinnausgleich verweisen lassen muss. Im Schrifttum wird zwar teilweise vertreten, dass ein Ausgleichsanspruch aus einer Ehegatteninnengesellschaft subsidiär in Betracht kommt, wenn der Zugewinnausgleich nicht zu einem angemessenen Ergebnis führt (so Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl., Kapitel VII Rn. 292; FA-FamR-v.Heintschel-Heinegg 9.A., 10. Kap. Rn. 41; Wever, Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Güterrechts, 6.A., Rn. 626).

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt jedoch ein Abfindungsanspruch aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen Ehegatten nach den §§ 738 ff. BGB nicht voraus, dass die bisherige Vermögenszuordnung unter Berücksichtigung des Güterrechts zu einem untragbaren Ergebnis führt. Ein solcher Anspruch kann vielmehr neben einem Anspruch auf Zugewinnausgleich bestehen (BGH, Urteil vom 28.9.2005 , XII ZR 189/02, Rn. 21; so auch KG, Beschluss v. 8.5.2012, 17 UF 310/11, juris Rn. 13). Dem folgt der Senat.

Bei im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten wird zwar nur in Ausnahmefällen der Bestand einer Innengesellschaft angenommen, weil der im Fall der Scheidung gebotene Vermögensausgleich in der Regel bereits durch die Vorschriften über den Zugewinnausgleich gesichert ist. Die Vorstellung der Ehegatten, über den Zugewinnausgleich an dem gemeinsam Erarbeiteten teilzuhaben, wird vielfach dagegen sprechen, ihr Verhalten hinsichtlich ihrer gemeinsamen Arbeit oder Wertschöpfung als Abschluss eines Gesellschaftsvertrages auszulegen. Der Umstand, dass die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand leben, ist deshalb als wichtiges Indiz gegen das Zustandekommen einer Innengesellschaft durch schlüssiges Verhalten anzusehen. Ausgeschlossen ist diese Möglichkeit indessen nicht (BGH, Urteil vom 28.9.2005 , XII ZR 189/02, juris Rn.12).

Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer Innengesellschaft ist ein über die Verwirklichung der Lebensgemeinschaft hinausgehender Zweck, wie er etwa vorliegt, wenn die Eheleute durch den Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Unternehmen aufbauen oder gemeinsam eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben (BGH, a.a.O., Rn. 13). Weitere Voraussetzung stellt das Erfordernis dar, dass die Tätigkeit des mitarbeitenden Ehegatten von ihrer Funktion her als gleichberechtigte Mitarbeit anzusehen ist. Schließlich darf die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft nicht zu den von den Ehegatten ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch stehen (BGH, a.a.O., Rn. 15).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen allein führt jedoch nicht unmittelbar zur Feststellung des Bestehens einer Ehegatteninnengesellschaft. Dies hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen den Schluss auf den Willen der Beteiligten zulassen, eine rechtliche Bindung gesellschaftsrechtlicher Art eingehen zu wollen (BGH, a.a.O., Rn. 17).

a) Entscheidend für die Abgrenzung zwischen einem Vermögenserwerb durch eine ehebezogene Zuwendung und einem Vermögenserwerb im Rahmen einer Ehegatteninnengesellschaft ist, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit der Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit einen über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen und ob ihrem Tun die Vorstellung zu Grunde liegt, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich betrachtet nicht nur dem formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll. Indizien für eine nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu bewertende Zusammenarbeit der Ehegatten ergeben sich zum Beispiel aus Planung, Umfang und Dauer der Vermögensbildung, ferner Absprachen über die Verwendung und Wiederanlage erzielter Erträge. Dagegen darf das Erfordernis der gleichgeordneten Mitarbeit wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten der Beteiligungen nicht überbetont werden, solange nur ein Ehegatte für die Gesellschaft einen nennenswerten und für den erstrebten Erfolg bedeutsamen Beitrag geleistet hat (BGH, Urteil v. 30.6.1999, XII ZR 230/96, juris Rn. 30; BGH, Urteil v. 3.2.2016, XII ZR 29/13, juris 23).“

(Letzte Aktualisierung: 10.07.2024)

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