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Erbrecht

Testament (Auslegung)

Die Auslegung eines Testaments ist im Einzelfall eine rechtlich anspruchsvolle Aufgabe. Nachfolgend einige Beispiele aus der Rechtsprechung.

BGH, Beschl. v. 19.06.2019 – IV ZB 30/18, NJW 2019, 2317 [Orientierungssatz]:

„1. Die Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament über die Einsetzung des Schlusserben „bei gleichzeitigem Ableben“ oder „bei gleichzeitigem Versterben“ ist dahingehend auszulegen, dass hiervon auch die Fälle erfasst werden sollen, in welchen die Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander versterben und der Überlebende in dieser Zeitspanne daran gehindert ist, ein neues Testament zu errichten. Eine für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene Erbeinsetzung gilt aber grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand versterben.

2. Eine Ausnahme kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Ablebens“ entgegen dem Wortsinn dahingehend verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichen Abstand umfassen soll, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet.“

In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:

„aa) Bei der Testamentsauslegung ist vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (…). Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt (…). Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen „hinterfragt“ werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll (…). Dafür muss der Richter auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranziehen (…).

bb) Der Erblasserwille geht jedoch nur dann jeder anderen Interpretation, die der Wortlaut zulassen würde, vor, falls er formgerecht erklärt ist (…). Die Vorschriften über die Formen, in denen Verfügungen von Todes wegen getroffen werden können, dienen insbesondere dem Zweck, den wirklichen Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, nach Möglichkeit die Selbständigkeit dieses Willens zu verbürgen und die Echtheit seiner Erklärungen sicherzustellen. Die vorgeschriebenen Formen sollen mit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintanzuhalten (…).

Wenn der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, ist der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers daher unbeachtlich (…). Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den aufgeführten Formzwecken nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig (…). Ausgehend von dem allgemeinen für die Auslegung letztwilliger Verfügungen geltenden Grundsatz, dass nur dem Willen Geltung verschafft werden kann, der im Testament zum Ausdruck gelangt, dort also eine, wenn auch noch so geringe, Grundlage findet, muss daher im Hinblick auf eine in Frage stehende Anordnung des Erblassers verlangt werden, dass für sie wenigstens gewisse Anhaltspunkte in der letztwilligen Verfügung enthalten sind, die im Zusammenhang mit den sonstigen heranzuziehenden Umständen außerhalb des Testaments den entsprechenden Willen des Erblassers erkennen lassen (…).

Ein bestimmter Erblasserwille ist nicht bereits dadurch im Testament angedeutet, dass dessen Wortlaut überhaupt auslegungsbedürftig ist und sich die generelle Willensrichtung aus dem Wortlaut herleiten lässt (a.A. OLG Hamm ZEV 2011, 427, 428 [juris Rn. 18]). Die Auslegungsbedürftigkeit eines Begriffes zeigt nicht, wie dieser Begriff nach dem Willen des Erblassers auszulegen sein soll.“

OLG Hamburg, Beschl. v. 13.02.2018 – 2 W 22/17:

Eine in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Klausel, der zufolge der Überlebende „über das Erbe der oder des Erstversterbenden frei verfügen kann“, bezieht sich bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine abweichende Auslegung nur auf die Verfügungsbefugnis unter Lebenden und steht daher einer die Schlusserben beschränkenden Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch den Überlebenden entgegen.

Im Rahmen eines Erbscheinverfahrens kam es zur Auslegung eines privatschriftlichen Testaments. Der Leitsatz des OLG Düsseldorf lautet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2015 – I-3 Wx 191/14, 3 Wx 191/14):

„Verfügt der Erblasser: „4.3.2013 Dies ist mein Testament Sollte heute bei diesem Eingriff [der leukämiekranke Erblasser hatte sich an diesem Tag einer Biopsie bei örtlicher Betäubung zu unterziehen] etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen vermache ich mein ganzes Vermögen … Herrn A“, so führt die Formulierung „Sollte heute … etwas passieren …“ bei nicht vorhandenen weiteren konkreten Anhaltspunkten nicht zu der Auslegung, der Erblasser wolle über die bloße Mitteilung eines Beweggrundes für seine Testierung hinaus die Rechtsfolge nur dann, wenn der Eingriff einen negativen Ausgang nimmt.“

Zur Auslegung eines (gemeinschaftlichen) Testaments hat das OLG München wie folgt entschieden (OLG München, Beschl. v. 23.04.2014 – 31 Wx 22/14):

1. Die Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament erfordert die Feststellung, dass nach dem Willen des Testierenden seine Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten sollte.

2. Sieht das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung und eine Schlusserbeneinsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen einen solchen Willen sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehegatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht würde.“

Siehe auch Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, erschienen bei C.H. Beck München, 2. Aufl. 2019, 442 Seiten, ISBN 978-3-406-73190-7.

Zur Auslegung häufig verwendeter Begriffe in Testamenten siehe auch den Beitrag von Roth, NJW-Spezial 2016, 743.

(Letzte Aktualisierung: 09.09.2019)

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