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Entfernungsanspruch

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, inwieweit einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der DSGVO zusteht (LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.11.2018 – 5 Sa 7/17 m. Anm. Rütz/Sturm in DB 2019, 1452). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Der Anspruch auf Entfernung als Fall der Löschung ergibt sich aus Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO.

Nach Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass die betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn u. a. die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Die Regelung entspricht den Erwägungen des Europäischen Parlaments und dem Rat der europäischen Union zur Verordnung (EU) 2016/679, wonach eine betroffene Person ein Recht auf Berichtigung der sie betreffenden personenbezogenen Daten sowie ein „Recht auf Vergessenwerden“ haben sollte, wenn die Speicherung ihrer Daten gegen diese Verordnung verstößt. Insbesondere sollten betroffene Personen Anspruch darauf haben, dass ihre personenbezogenen Daten gelöscht und nicht mehr verarbeitet werden, wenn die personenbezogenen Daten hinsichtlich der Zwecke, für die sie erhoben bzw. anderweitig verarbeitet wurden, nicht mehr benötigt werden (Nr. 65 der Erwägungen).

2.1.

Die Angaben in der Abmahnung sind personenbezogene Daten i. S. d. DS-GVO. Nach Artikel 4 Nr. 1 der DS-GVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Nummer, zu Standortdaten, zu einer Onlinekennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Dies ist bei dem Abmahnungsschreiben vom 02.10.2015 unzweifelhaft der Fall.

Verantwortlicher ist nach Artikel 4 Nr. 7 DS-GVO jedenfalls der Arbeitgeber, also die Beklagte.

2.2.

Der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO und des BDSG ist eröffnet, Artikel 2 Abs. 1 DS-GVO, § 1 Abs. 1, Satz 2 BDSG.

Auch in einer in Papierform geführten Personalakte werden personenbezogene Daten verarbeitet, die in einem Datensystem gespeichert oder gespeichert werden sollen.

Nach Artikel 4 Nr. 6 DS-GVO ist ein „Datensystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugängig sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Unter Personalakten im formellen Sinn sind diejenigen Schriftstücke und Unterlagen zu verstehen, welche der Arbeitgeber als „Personalakte“ führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordnet sind. Derartige Aktenbestände sind äußerlich erkennbar in Ordnern, Heftern oder Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar. In der Personalakte werden personenbezogene Daten strukturiert gesammelt und nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht (vgl. Gola, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 4, Rdnr. 43 – 47, anderer Ansicht: LAG Sachsen, 14.01.2014, 1 Sa 266/13, juris, Rdnr. 29 unter Bezugnahme auf BAG, 16. 11.2010 – 9 AZR 572/09 -, juris, Rdnr. 25, 26).

2.3.

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte noch ein Interesse an einem Beibehalt des Abmahnungsschreibens in der Personalakte des Klägers hat. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertraglichen Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG, 19.07.2012 – 2 AZR 782/11, juris, Rdnr. 20). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint. Im vorliegenden Fall sind solche Gründe offensichtlich nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für die Beklagte dienlich sein könnte, die Abmahnung vom 02.10.2015 noch heranziehen zu können. Ersichtlich sind die Erteilung des qualifizierten Zeugnisses und auch dessen Inhalt zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Ebenso wenig kommen etwaige Schadensersatzansprüche aufgrund des von der Beklagten gerügten Fehlverhaltens des Klägers in Betracht.

2.4.

Das Recht auf Löschen in der Form der Entfernung der Abmahnung wird nicht durch § 35 BDSG eingeschränkt. Insbesondere ist die Entfernung der Abmahnung mit keinerlei Aufwand für die Beklagte verbunden.

2.5.

Der Anspruch des Klägers auf Löschung in Form der Entfernung der Abmahnung wird auch nicht wegen § 26 BDSG (Artikel 80 DS-GVO) ausgeschlossen oder beschränkt. § 26 BDSG steht unter dem Kapitel 1 „Rechtsgrundlagen der Verarbeitung personenbezogener Daten“ in dessen Abschnitt 2 „Besondere Verarbeitungssituationen“ und regelt die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Unberührt hiervon bleiben die Vorschriften unter Kapitel 2 „Rechte der betroffenen Personen“ (§ 32 ff. BDSG).

2.6.

Artikel 17 DS-GVO verlangt nicht die Darlegung des Klägers, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Abmahnung ihm noch schaden könnte. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu bezieht sich auf einen Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.11.2016 (2 AZR 730/15, juris, Rdnr. 46, 47) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger im dortigen Fall einen Anspruch auf Löschung von in den Abmahnungen enthaltenen personenbezogenen Daten nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG a. F., nicht geltend gemacht hat (BAG, 17.11.2016, juris, Rdnr. 46., vgl. auch Brink, Anmerkung zu Landesarbeitsgericht Mainz vom 12.12.2012 – 8 Sa 379/12 -, juris, PR-ArbR 36/2013; Rademacher, AoA, 2018, 94 ff.).“

(Letzte Aktualisierung: 30.07.2019)

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