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Überstunden
Überstunden leisten Arbeitnehmer dann, wenn sie die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Der Begriff wird häufig mit dem Begriff der Mehrarbeit gleichgesetzt, was aber arbeitsrechtlich gesehen nicht richtig ist. Die für den Begriff der Überstunde maßgebliche Regelarbeitszeit ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, mittelbar aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Gesetz. Darüber hinausgehende Arbeitsleistungen können durch den Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden.
Nur in Notfällen und zur Schadensabwehr gibt es eine Nebenpflicht zur Ableistung von Überstunden. Vertragliche Formulierungen für die Möglichkeit, Überstunden anzuordnen, können etwa lauten:
„Der Arbeitgeber kann nach Maßgabe betrieblicher Notwendigkeiten unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes bis zu ___ Überstunden monatlich anordnen.“
Eine Konkretisierung auf eine höhere als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit aufgrund ständig praktizierter Überstunden – ohne dahingehende rechtliche, insbesondere arbeitsvertragliche Verpflichtung – lehnt die Rechtsprechung in aller Regel ab.
Der Versuch, Auftragsspitzen durch eine befristete Erhöhung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit aufzufangen, ist nicht zu empfehlen.
Eine allgemeine Pflicht, Überstundenzuschläge zu zahlen, gibt es nicht. Es gibt auch kein Verbot, anstelle einer Vergütung einen (zeitnahen) Freizeitausgleich vorzusehen. Fehlt eine arbeitsvertragliche Regelung, sind die zusätzlichen Arbeitsstunden mit der vereinbarten (Grund-)Vergütung zu bezahlen. Zuschläge sind dann nur zu zahlen, wenn eine entsprechende Vergütung innerhalb der Branche und Region üblich ist.
Für die pauschale Abgeltung von Überstunden verlangt die Rechtsprechung eine eindeutige Festlegung, in welchem Umfang mit der im Vertrag vorgesehenen (Zusatz-)Vergütung über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit mitvergütet sein soll. Das könnte im Arbeitsvertrag etwa wie folgt lauten:
„Mit der Vergütung nach § __ sind Überstunden in einem Umfang von bis zu zehn Stunden/Monat abgegolten, d. h. ein Anspruch auf gesonderte Vergütung besteht nicht.“
Gibt es keine Regelung über eine „Obergrenze“ der mit der Grundvergütung abgegoltenen Überstunden, so ist die entsprechende Formulierung in einem Mustervertrag nach Auffassung der Rechtsprechung unwirksam. Eine andere Frage ist allerdings die, ob es in einem solchen Fall überhaupt eine Vergütungserwartung des Arbeitnehmers gibt (§ 612 Abs. 1 und 2 BGB). Tendenziell sieht die Rechtsprechung bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung vor allem dann keine Verpflichtung Überstunden gesondert zu vergüten, wenn es sich um ein „herausgehobene Vergütung“ handelt. Darunter versteht die Rechtsprechung eine solche, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Ergo: Verdient der Arbeitnehmer oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung, so hat er grundsätzlich keine Vergütungserwartung hinsichtlich der von ihm geleisteten Überstunden.
BAG, Urt. v. 26.06.2019 – 5 AZR 452/18:
„1. Wird die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (elektronisch) erfasst und zeichnet der Arbeitgeber oder für ihn ein Vorgesetzter des Arbeitnehmers die entsprechenden Arbeitszeitnachweise ab, kann der Arbeitnehmer im Überstundenprozess der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden schon dadurch genügen, dass er schriftsätzlich die vom Arbeitgeber abgezeichneten Arbeitsstunden und den sich ergebenden Saldo vorträgt.
2. Darauf muss der Arbeitgeber im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern, dass, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die von ihm oder einem für ihn handelnden Vorgesetzten des Arbeitnehmers abgezeichneten Arbeitsstunden nicht geleistet wurden oder der behauptete Saldo sich durch konkret darzulegenden Freizeitausgleich vermindert hat. Anderenfalls gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).“
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) besteht in Fällen der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, worunter auch Überstunden fallen, eine Mitbestimmungspflicht.
Siehe auch unser Stichwort Überstundenvergütung.
(Letzte Aktualisierung: 09.10.2019)
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Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de