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Arbeitszeit
Der Begriff der Arbeitszeit ist vielschichtig. Das Verständnis ist abhängig von dem jeweiligen Zusammenhang, in dem der Begriff verwendet wird. Nachfolgend geht es – soweit nichts anderes vermerkt ist – um den Begriff der Arbeitszeit im arbeitsrechtlichen Sinne. Dabei ist zwischen einem öffentlichen Arbeitszeitrecht (nachfolgend A.) und einem privaten Arbeitszeitrecht (nachfolgend B.) zu unterscheiden.
A. Öffentliches Arbeitszeitrecht
Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Arbeitszeitrecht ist insbesondere das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu beachten. Hier geht es um die Sicherheit der Arbeitnehmer und vor allem auch um deren Gesundheitsschutz. Das ArbZG begrenzt die werktägliche Arbeitszeit auf acht Stunden (§ 3 Satz 1 ArbZG). Das Gesetz kennt somit eine 48-Stunden-Woche! Die tägliche Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 Satz 2 ArbZG).
Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist nach § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ArbZG). Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG).
Wenn ein Arbeitnehmer private Telefongespräche führt, zu privaten Zwecken im Internet surft usw., handelt es sich nicht um Arbeitszeit im genannten Sinne (Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 2, Rn. 7, dort auch mit einem Hinweis auf die Gegenauffassung, die einen rein formalen Arbeitszeitbegriff vertritt).
Das erwähnte Ende und auch der Beginn der Arbeit sind gesetzlich nicht näher definiert. Fest steht: Arbeitszeit setzt spätestens mit der Aufnahme der (tarif-)vertraglich geschuldeten Arbeit des Arbeitnehmers ein und erfasst in jedem Fall alle Zeiten, während derer der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet. Arbeitsbereitschaft und der sog. Bereitschaftsdienst zählen ebenfalls zur Arbeitszeit. Anders ist das im Falle der Rufbereitschaft.
Wegezeiten, gemeint ist die Strecke, die der Arbeitnehmer von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers zurücklegt, sind grundsätzlich nicht als Arbeitszeit erfasst. Die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück ist dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen (BAG, Urt. v. 21.07.1993 – 4 AZR 471/92). Demzufolge ist die für solche Fahrten benötigte Zeit durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht zu vergüten (weiter zur Fragen der Vergütungspflicht siehe nachfolgend B.). Losgelöst hiervon besteht für derartige Wege ein Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung.
Problematisch ist die Beurteilung von Dienstreisen. Grundsätzlich gilt: Dienstreisen gelten als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG (zur Frage der Vergütungspflicht siehe nachfolgend B.).
Zeiten für das Umkleiden und die Körperwäsche vor und im Anschluss an die Arbeit zählen in der Regel nicht zur Arbeitszeit im Sinne des ArbZG; im Hinblick auf eine mögliche Vergütungspflicht ist aber ggf. zu differenzieren (siehe dazu nachfolgend unter B.)
Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die gegen das ArbZG verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig.
B. Privates Arbeitszeitrecht
Hier geht es um die Haupflichten des Arbeitsvertrages, die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeit und die Pflicht des Arbeitgebers zur Vergütung der Arbeit. Während der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer grundsätzlich zu bezahlen, unabhängig davon, ob tatsächlich ausreichend Arbeit vorhanden ist oder nicht.
Ohne anderweitige einzel- oder tarifvertragliche Regelung ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, Zeiten, die der Arbeitnehmer innerhalb der regulären Arbeitszeit auf einer Dienstreise verbringt, zu vergüten – siehe dazu BAG, Urt. v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12:
Das Bundesarbeitsgericht hat zu zwei Fragen entschieden, nämlich (1.) zur Frage ob Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle Arbeitszeit sind und (2.) wie die Fahrzeit zu vergüten ist. Das BAG hat zunächst klargestellt, dass auch Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle als Arbeitszeit zu bewerten ist. Ausdrücklich verweist das BAG darauf, dass mit der vorerwähnten Einordnung der Fahrzeit als Arbeitszeit nicht geklärt sei, wie diese Zeiten zu vergüten sind. Insoweit heißt es in der Entscheidung:
„Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden.“
Die Verpflichtung zur Vergütung besteht auch für sonstige Wegezeiten, die der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit zurücklegt; das gilt insbesondere für Fahrten zu einer auswärts gelegenen Arbeitsstelle.
Ist das Umkleiden des Arbeitnehmers fremdnützig, wird häufig insoweit eine Vergütungspflicht bestehen, siehe etwa BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/16:
„1. Das Umkleiden ist Teil der vom Arbeitnehmer geschuldeten und ihm zu vergütenden Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss.
2. Steht fest ( § 286 ZPO ), dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen.“
Nicht jede Tätigkeit des Arbeitnehmers ist in gleicher Höhe zu vergüten. Nach der Rechtsprechung des BAG ist für Zeiten der Arbeitsbereitschaft nicht zwingend die volle Vergütung zu zahlen. Das Arbeitsentgelt für Zeiten der Arbeitsbereitschaft kann angesichts der geringeren Beanspruchung auch geringer als das Entgelt für Vollarbeit sein (BAG, Urt. v. 28.11.1973 – 4 AZR 74/73). Auch für Bereitschaftsruhezeiten ist es auf Grund des Unterschiedes in der Beanspruchung des Arbeitnehmers nicht zu beanstanden, wenn hierfür eine andere Vergütung vorgesehen wird als für Vollarbeit (BAG, Urt. v. 05.06.2003 – 6 AZR 114/02 und v. 28.01.2004 – 5 AZR 530/02). Demnach sind die Arbeitsvertragsparteien frei, für unterschiedliche Arten der Beanspruchung des Arbeitnehmers Vergütungen in unterschiedlicher Höhe vorzusehen. Die Vergütungshöhe unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung der Parteien. Grenzen bilden dabei die Sittenwidrigkeit und der Wucher sowie das Mindestlohngesetz (MiLoG). Ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) oder der Tatbestand des Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) sowie ein Verstoß gegen das MiLoG kommen in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer erhebliche Leistungen ohne jede Vergütung abverlangt werden. Nach den erwähnten Grundsätzen dürfte auch für Fahrzeiten eine verminderte Vergütung vereinbart werden können. Für Zeiten der Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsruhe hat das BAG mit einer Entscheidung vom 12.03.2008 – 4 AZR 616/06 – eine Vergütung in Höhe von 68 % der Vollarbeit als angemessene Vergütung bezeichnet. Für reine Fahrzeiten dürfte daher wahrscheinlich eine Vergütungsreduzierung von 20 bis 30 % zulässig sein.
Siehe auch BAG, Urt. v. 20.04.2011 – 5 AZR 200/10:
„Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel, Reisezeiten seien mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten, ist intransparent, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche „Reisetätigkeit“ von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll.“
Siehe auch unsere Ausführungen zu den Stichworten Nachtarbeit/Nachtarbeitnehmer.
(Letzte Aktualisierung: 01.07.2020)
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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt