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Arbeitsrecht

Annahmeverzug

Mit dem Begriff Annahmeverzug meint man den Umstand, dass der Gläubiger eines Anspruchs die ihm durch den Schuldner ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt (§§ 293 ff. BGB). Im Arbeitsrecht führt der Annahmeverzug des Arbeitgebers dazu, dass er dem Arbeitnehmer das vereinbarte Arbeitsentgelt auch dann schuldet, wenn der Arbeitnehmer gar nicht gearbeitet hat. Voraussetzung dafür ist aber grundsätzlich u. a., dass der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung dem Arbeitgeber ordnungsgemäß angeboten hat.

Dazu nachfolgend ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) in der Lage war, Nachtarbeit zu leisten, weshalb der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin als arbeitsunfähig einstufte und die durch diese angebotene Arbeitsleistung nicht mehr annahm (BAG, Urt. v. 09.04.2014 – 10 AZR 637/13). Nach Meinung des Gerichts ist eine Krankenschwester nicht allein deshalb arbeitsunfähig krank, weil sie aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten kann. Sie hat daher Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. Nimmt der Arbeitgeber unter diesen Umständen die ihm durch den Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht an, so gerät er in sog. Annahmeverzug. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber auch dann die übliche Vergütung schuldet, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Weigerung des Arbeitgebers nicht arbeitet.

Siehe auch BAG, Urt. v. 27.05.2020 – 5 AZR 387/19:

„Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB .“

Siehe auch LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.09.2022 – 6 Sa 280/22 und den Beitrag von Bürger/Biebl in DB 2023, 449 ff. [„Trendwende beim Annahmeverzug: Arbeitsgerichte erleichtern die Anrechnung eines unterlassenen Zwischenverdienstes“].

BAG, Urt. v. 24.01.2024 – 5 AZR 331/22 m. Anm. Schmidt in DB 2024, 1350:

„Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 1 KSchG nicht ausgeschlossen werden. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Grundsätze der sekundären Darlegungslast verkannt.

(…) Die Anrechnung des Zwischenverdienstes richtet sich vorliegend nach § 11 KSchG. Diese Vorschrift enthält für den Annahmeverzug nach einer Kündigung im Geltungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine Spezialregelung zu § 615 Satz 2 BGB (vgl. BAG 2. Oktober 2018 – 5 AZR 376/17 – Rn. 28, BAGE 163, 326; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 84).

(…) Anderweitiger Verdienst ist nach § 11 Nr. 1 KSchG auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs dann und insoweit anzurechnen, als der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde (BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 37; 24. Februar 2016 – 5 AZR 425/15 – Rn. 16, BAGE 154, 192). Dabei ist es unerheblich, in welcher Weise die frei gewordene Arbeitskraft verwertet wird. Anzurechnen sind deshalb nicht nur Entgelte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit oder einem freien Mitarbeiterverhältnis (vgl. BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – aaO; allgA vgl. nur BeckOGK/Bieder Stand 1. Juli 2022 BGB § 615 Rn. 84; APS/Biebl 7. Aufl. KSchG § 11 Rn. 18; Staudinger/Fischinger (2022) § 615 Rn. 164 f.; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 84; ErfK/Kiel 24. Aufl. KSchG § 11 Rn. 4a; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 75, jew. mwN). Erzielt der Arbeitnehmer durch eine Tätigkeit während des Annahmeverzugs erst später einen Ertrag, kommt eine anteilmäßige Anrechnung, die der Arbeitsleistung im Verzugszeitraum entspricht, in Betracht (BAG 16. Juni 2004 – 5 AZR 508/03 – zu II 3 d der Gründe, BAGE 111, 123; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 91; aA Staudinger/Fischinger aaO Rn. 165), denn anzurechnen ist der Wert des Erwerbs, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden ist. Ggf. muss der durch eine selbständige Tätigkeit erzielte Gewinn gemäß § 287 ZPO geschätzt werden (Staudinger/Fischinger aaO Rn. 165; MüKoBGB/Henssler aaO; HWK/Krause 10. Aufl. § 615 BGB Rn. 90). Einkünfte, die der Arbeitnehmer aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen ohne eigene Tätigkeit für das Unternehmen erzielt, sind dagegen grundsätzlich nicht anrechenbar (Schaub ArbR-HdB/Linck aaO; MüKoBGB/Henssler aaO).

(…) Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht beurteilen, ob und in welcher Höhe die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der G GmbH anderweitigen Verdienst erzielt hat. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Grundsätze der sekundären Darlegungslast verkannt.

(…) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum für die Geschäftsführertätigkeit bei der G GmbH keine laufenden Einkünfte erzielt hat. Auch aus der vereinbarten Gewinnbeteiligung erfolgte jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum keine Vergütung, weil die G GmbH bis Oktober 2015 keine Gewinne erzielte.

(…) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch die Anrechnung der Kommanditistenbeteiligung bei der G GmbH & Co. KG und etwaig aus dieser Beteiligung erzielter Gewinne mit einer unzutreffenden Begründung ausgeschlossen.

(…) Der Kommanditanteil könnte als solcher eine anderweitige Vergütung darstellen, wenn die Klägerin ihn für ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin gewährt bekommen hätte. Soweit das Landesarbeitsgericht dies mit der Begründung verneint hat, die Beklagte habe eine Verknüpfung der Kommanditistenbeteiligung mit der Geschäftsführertätigkeit nicht konkret dargetan, obwohl es an ihr gewesen wäre, den konkreten Zusammenhang der Gewährung der Beteiligung im Sinne einer Gegenleistung für die Geschäftsführertätigkeit darzutun, hat es die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast verkannt. Danach genügt die nicht darlegungspflichtige Partei ihrer Darlegungslast nicht durch einfaches Bestreiten einer nicht ins Blaue hinein erhobenen pauschalen Behauptung der darlegungspflichtigen Partei (dazu BAG 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22 – Rn. 29 mwN), wenn dieser die nähere Darlegung der erforderlichen Tatsachen nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st. Rspr., vgl. nur BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 – Rn. 29; BGH 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 – Rn. 30, jew. mwN).

(…) In einer solchen Situation befindet sich vorliegend die Beklagte. Sie kann keinen Vortrag zu der Gewinnbeteiligungszusage und zu der vertraglichen Gestaltung der Kommanditistenstellung halten. Kenntnis über diese Tatsachen hat allein die Klägerin. Ihrer hieraus resultierenden sekundären Darlegungslast ist sie bislang nicht ausreichend nachgekommen. Nachdem die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen hatte, mit ihr sei bereits bei ihrer Bestellung als Geschäftsführerin vereinbart worden, dass eine Vergütung nur in der damals beabsichtigten und dann umgesetzten Kommanditistenbeteiligung der noch zu gründenden GmbH & Co. KG erfolgen werde, hat sie in der Berufungsinstanz bestritten, dass die Übernahme des Kommanditanteils der GmbH & Co. KG eine Gegenleistung für von ihr für die G GmbH erbrachte Geschäftsführertätigkeit gewesen sei. Ihre Behauptung in der Revisionsinstanz, der Kommanditanteil komme nicht als anrechenbare Gegenleistung für ihre Geschäftsführertätigkeit in Betracht, weil sie diesen Anteil nicht als Schenkung erhalten, sondern dafür eine Kommanditeinlage in bar geleistet habe, stellt neuen Sachvortrag dar, der in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist (vgl. BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 273/22 – Rn. 19).

(…) Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beklagten erhobenen Einwand, die Klägerin habe böswillig anderweitigen Erwerb unterlassen (§ 11 Nr. 2 KSchG), zu Unrecht zurückgewiesen. Das Berufungsgericht ist zwar von den zutreffenden Obersätzen ausgegangen, hat diese aber bei der Subsumtion verlassen. Zudem hat es den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und nicht alle relevanten Umstände rechtsfehlerfrei berücksichtigt.

(…) Gemäß § 11 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (BAG 29. März 2023 – 5 AZR 255/22 – Rn. 27).

Das Unterlassen eines anderweitigen Erwerbs ist nicht nur dann böswillig, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der objektiven Umstände, nämlich Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolge für den Arbeitgeber, vorsätzlich untätig bleibt, sondern Böswilligkeit kann auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung zufrieden gibt (BAG 20. Januar 1967 – 3 AZR 253/66 – zu 5 a der Gründe, BAGE 19, 194). Die Absicht einer Schädigung ist dabei nicht erforderlich. Es genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht allerdings nicht aus (BAG 22. März 2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 17; 11. Januar 2006 – 5 AZR 98/05 – Rn. 18, BAGE 116, 359).

In § 11 Nr. 2 KSchG wird dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers auferlegt. Der Arbeitnehmer soll seine Annahmeverzugsansprüche nicht ohne Rücksicht auf den Arbeitgeber durchsetzen können (vgl. BAG 11. Januar 2006 – 5 AZR 125/05 – Rn. 16, BAGE 116, 355). Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben, sie kann etwa ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (st. Rspr., vgl. nur BAG 29. März 2023 – 5 AZR 255/22 – Rn. 27; 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 14).

(…) Bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs ´Böswilligkeit´ kommt dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, bei der Unterordnung des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind und bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist (BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 15; 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 33).

(…) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte könne dem Anspruch der Klägerin die Einwendung böswillig unterlassenen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG durch die – nach ihrem Vortrag unentgeltliche – Tätigkeit als Geschäftsführerin bei der G GmbH nicht entgegenhalten, einer revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Das Landesarbeitsgericht ist zwar von den zutreffenden Obersätzen ausgegangen, hat diese aber bei der Subsumtion nicht angewendet. Zudem hat es den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und nicht alle relevanten Umstände berücksichtigt.

(…) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass für die Annahme eines böswilligen Unterlassens das Vorliegen einer Schädigungsabsicht nicht erforderlich ist. Bei der Subsumtion hat es diesen Obersatz jedoch rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausgeführt, dass insbesondere dann, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Anspruchsteller ´in reiner Schädigungsabsicht´ eine sonst übliche oder tatsächlich angebotene Vergütung ablehne, eine Anrechnung fiktiven Erwerbs in Betracht kommen könne. Ein böswillig unterlassener Erwerb durch die Übernahme der unentgeltlichen Geschäftsführertätigkeit scheide aus, weil aus Sicht der Kammer eine Schädigungsabsicht der Klägerin nicht feststellbar sei.

(…) Das Landesarbeitsgericht hat zudem bei der Subsumtion nicht alle relevanten Umstände des vorliegenden Falls berücksichtigt.

(…) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe sich mit ihrer unentgeltlichen Tätigkeit eine Existenz aufbauen wollen, dies sei vergleichbar mit dem Aufbau einer selbständigen Tätigkeit, ist rechtsfehlerhaft. Ein die Böswilligkeit ausschließender Grund kann zwar auch die Absicht des Arbeitnehmers sein, sich selbständig zu machen. War ein solches Vorhaben realistisch, bestehen gegen die Berücksichtigung von vorbereitenden Tätigkeiten für eine selbständige Berufsausübung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung grundsätzlich keine Bedenken (vgl. BAG 16. Juni 2004 – 5 AZR 508/03 – zu II 3 d der Gründe, BAGE 111, 123; 18. Januar 1963 – 5 AZR 200/62 – zu II 4 b der Gründe, BAGE 14, 31). Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang aber unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin gerade nicht Gesellschafterin der G GmbH war und die G GmbH & Co. KG, an der sie später einen Kommanditanteil hielt, erst zu einem späteren Zeitpunkt gegründet wurde. Die Klägerin war vielmehr auf der Grundlage eines Dienstvertrags oder eines Arbeitsvertrags bei der G GmbH beschäftigt und konnte jederzeit gekündigt werden. Dies steht der Gleichwertigkeit mit einer selbständigen Tätigkeit entgegen.

(…) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht beachtet, dass bislang unaufgeklärt geblieben ist, wovon die Klägerin im Verzugszeitraum mit ihren Kindern gelebt hat. Sie war mit dem Geschäftsführer der Beklagten, deren Alleingesellschafter er zu dieser Zeit war, verheiratet. Die Eheleute lebten seit dem 23. Juli 2013 getrennt, also auch im streitgegenständlichen Verzugszeitraum. Ob die Klägerin in dieser Zeit von ihrem Ehepartner Unterhaltsleistungen erhalten hat und ob die Höhe der Unterhaltsleistungen von einem etwaigen eigenen Verdienst abhing, könnte in einem Fall wie diesem bei der Feststellung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs durch Aufnahme einer unentgeltlichen Fremdgeschäftsführertätigkeit in einem Unternehmen, das jedenfalls zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Kündigungsschutzverfahren in einem Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten stand und dessen Gesellschafter nach der – streitigen – Behauptung der Beklagten im Streitzeitraum enger Lebensgefährte der Klägerin war, von Bedeutung sein. Nach § 139 Abs. 2 ZPO gebotene Hinweise zur Aufklärung dieses Sachverhalts sind durch das Landesarbeitsgericht bislang nicht erfolgt.

(…) Soweit das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Böswilligkeit darauf abgestellt hat, dass die Klägerin in der Gesellschaft ihres ´damaligen mutmaßlichen Lebensgefährten´ und damit in einem Familienunternehmen tätig wurde, hat es nicht beachtet, dass die Intensität der persönlichen Bindung zwischen dem Gesellschafter der G GmbH, Herrn A, und der Klägerin zwischen den Parteien des Rechtsstreits umstritten ist. Die Klägerin hat ausdrücklich bestritten, dass Herr A ihr Lebensgefährte gewesen sei und vorgetragen, im Jahr 2014 habe sich eine private Verbindung entwickelt, die jedoch keine Lebensgemeinschafts-Qualität aufgewiesen habe. Sollte es für die Gesamtabwägung auf diesen Gesichtspunkt tragend ankommen, ist eine weitere Sachaufklärung durch das Landesarbeitsgericht geboten.

(…) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Gesamtabwägung zunächst zutreffend berücksichtigt, dass sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet hat.

(…) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verletzung der in § 38 Abs. 1 SGB III geregelten sozialrechtlichen Verpflichtung, sich innerhalb bestimmter Fristen bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, im Rahmen der Gesamtabwägung bei der Prüfung des böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes im Annahmeverzugszeitraum zu berücksichtigen ist (BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 21 ff. mwN). Die Nichterfüllung der sozialrechtlichen Meldepflicht hat auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten unbeachtet zu bleiben, insbesondere ist ein Vertrauen, dass ein Unterlassen der Meldung bei der Agentur für Arbeit nach den Entscheidungen des Neunten Senats vom 16. Mai 2000 (- 9 AZR 203/99 – BAGE 94, 343) und des Sechsten Senats vom 24. Februar 1981 (- 6 AZR 334/78 -) nicht bei der Prüfung böswilligen Unterlassens iSv. § 11 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sei, nicht schutzwürdig (vgl. dazu ausf. BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 26).

(…) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat sich die Klägerin im März 2014 bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet, sie hat aber keine adäquaten Stellenangebote erhalten. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin hätte als studierte Betriebswirtin mit ihren Berufserfahrungen unschwer eine entgeltliche Beschäftigung finden können, ist die Beklagte als Arbeitgeberin dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass die Klägerin eine zumutbare Tätigkeitsmöglichkeit – etwa auch unter Abgabe eines eigenen Arbeitsangebots – nicht wahrgenommen hat. Eine konkrete zumutbare Arbeitsgelegenheit für die Klägerin hat die Beklagte nicht dargetan. Sie hat die Klägerin auch nicht über konkrete Stellenangebote informiert (vgl. dazu bereits BAG 16. Mai 2000 – 9 AZR 203/99 – zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 94, 343). Der allgemeine Hinweis des Arbeitgebers, es seien für den Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt freie Stellen vorhanden, reicht nicht aus (KR/Spilger 13. Aufl. § 11 KSchG Rn. 49).

(…) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Annahmeverzugslohnanspruch der Klägerin nicht die Einwendung treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB wegen der Ausübung von Konkurrenztätigkeiten entgegen.

(…) Der Arbeitgeber kommt trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung nicht in Annahmeverzug, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (st. Rspr. seit BAG 26. April 1956 – GS 1/56 – zu II 3 der Gründe, BAGE 3, 66; zuletzt BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 39). Anerkannt sind ua. Fälle, in denen bei Annahme der Arbeitsleistung strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers, seiner Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger unmittelbar oder mittelbar nachhaltig so gefährdet werden, dass die Abwehr dieser Gefährdung Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes haben muss. Es muss ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten vorliegen, der den Arbeitgeber berechtigt, die Dienste abzulehnen (BAG 16. April 2014 – 5 AZR 739/11 – Rn. 17; 1. Juli 1993 – 2 AZR 88/93 – zu II 3 der Gründe).

(…) Der Begriff der ´Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung´ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar. Eine revisionsrechtlich erhebliche Rechtsverletzung liegt nur dann vor, wenn der Rechtsbegriff selbst verkannt worden ist oder wenn bei der Unterordnung des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder bei der gebotenen Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist (BAG 16. April 2014 – 5 AZR 739/11 – Rn. 18).

(…) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit dem Einwand, die Klägerin könne wegen ihrer Konkurrenztätigkeit kein Urlaubsgeld beanspruchen, keine Umstände dargetan, aufgrund derer ihr die Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin unzumutbar war, ist danach nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit keine revisionsrechtlich erhebliche Rechtsverletzung aufgezeigt.“

Beachtenswert ist auch der Beitrag von Hey/Bischoff in DB 2024, 1274 ff. [„Anderweitiger Erwerb bei Annahmeverzugslohn: Auskunft und böswilliges Unterlassen“].

(Letzte Aktualisierung: 20.06.2024)

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