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Anlasskündigung
Siehe dazu z. B. LAG Nürnberg, Urt. v. 04.07.2019 – 5 Sa 115/19 m. Anm. Schröter/Letiy in DB 2020, 231 = NZA-RR 2020, 16:
„Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, obliegt es dem Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht Anlass der Kündigung gewesen ist, um den verlängerten Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 EFZG zu vermeiden.“
In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:
„1. Die klägerische Krankenkasse hat gegenüber der Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 3 Abs. 3 EFZG Anspruch auf Erstattung des an die Arbeitnehmerin für den Zeitraum vom 10.03.2018 bis 18.04.2018 gezahlten Krankengeldes.
a) Ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, hat während des Bestands des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1, Satz 1 EFZG). Voraussetzung ist, dass bei Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsverhältnis besteht und gemäß § 3 Abs. 3 EFZG die vierwöchige Wartezeit erfüllt ist. Regelmäßig endet der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (§ 8 Abs. 2 EFZG). Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG durchbrochen. Ungeachtet des vorzeitigen, d.h., vor Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums liegenden Endes des Arbeitsverhältnisses, behält der Arbeitnehmer über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus den sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt hat.
Der Arbeitgeber kündigt dann aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsunfähigkeit wesentliche Bedingung der Kündigung ist. Es kommt auf die objektive Ursache, nicht auf das Motiv der Kündigung an. Maßgebend sind die objektiven Umstände bei Ausspruch der Kündigung. Der Begriff „aus Anlass“ ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.04.2008 – 5 AZR 2/01, zitiert nach juris). Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Anlasskündigung ist die Arbeitnehmerin bzw. im Falle des Forderungsübergangs die Krankenkasse. Indessen kommt ihr regelmäßig der Anscheinsbeweis zu Gute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Eine Anlasskündigung ist mithin zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.03.2006 – 6 Sa 801/05, zitiert nach juris). Es ist dann zunächst Sache der Arbeitgeberin diesen Anschein durch Beweis dadurch zu erschüttern, dass nicht die angezeigte Arbeitsunfähigkeit, sondern andere Gründe zum Ausspruch der Kündigung führten. Dabei muss die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein, sie muss nur Anlass zum Ausspruch der Kündigung gewesen sein. Sie muss mithin den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst haben (BAG, Urteil vom 17.04.2002 – 5 AZR 2/01, zitiert nach juris).
b) Diese Voraussetzungen des Fortbestandes des Entgeltfortzahlungsanspruchs über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zur Dauer von insgesamt sechs Wochen liegen hier vor.
Die Klägerin hat den Anscheinsbeweis erbracht, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin aus Anlass ihrer Erkrankung erfolgte. Die Kündigung und die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit stehen bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang. Darüber hinaus wird der Anscheinsbeweis auch noch durch den Umstand gestützt, dass bei Ausspruch der Kündigung der Ablauf der vierwöchigen Wartefrist gemäß § 3 Abs. 3 EFZG drohte und einen Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist endete, so dass die Beklagte ab dem 10.03.2018 Entgeltfortzahlung hätte leisten müssen.
Die Beklagte vermochte diesen Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern. Sie hat zwar vorgetragen, dass die Kündigung deswegen erfolgt sei, da die Klägerin bei der sogenannten Initialschulung („Erstausbildung“), bestehend aus einem Basiskommunikationstraining und der Fachschulung hätte nicht teilnehmen können. Nehme ein Arbeitnehmer an der Schulung nicht teil, so könne er die Tätigkeit nicht ausführen, für die er eingestellt worden ist. Aus welchem Grund die Arbeitnehmerin der Schulung ferngeblieben sei, wäre für die Beklagte irrelevant gewesen. Hierbei verkennt die Beklagte, dass ursächlich für die Nichtteilnahme der Arbeitnehmerin deren Arbeitsunfähigkeit gewesen ist. Wie oben dargestellt, kommt es auf die objektive Ursache nicht auf das Motiv der Kündigung an. Die Arbeitsunfähigkeit und die damit verbundene Nichtteilnahme der Arbeitnehmerin an der Schulung war damit Anlass für den Ausspruch der Kündigung.
Soweit die Beklagte im Rahmen der Berufung nochmals darauf hingewiesen habe, dass die Arbeitnehmerin darüber hinaus auch während der Teilnahme an der Schulung desinteressiert gewirkt habe und dies auch in der Betriebsratsanhörung deutlich werde, folgt die erkennende Kammer dieser Argumentation nicht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass in der Betriebsratsanhörung vom 15.02.2018 (Anlage B1) ein solcher Hinweis für den Leser der Betriebsratsanhörung gerade nicht ersichtlich wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin aufgrund der Aussage ihres Ansprechpartners Herrn G trotz Arbeitsunfähigkeit noch zwei Tage an der Schulung teilgenommen hat. Wenn die arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmerin daraufhin in der Schulung nicht leistungsfähig gewesen ist, liegt eine mögliche Erklärung hierfür in der der Beklagten bekannten Arbeitsunfähigkeit. Es erscheint damit treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf ein solches Verhalten der Arbeitnehmerin während ihr Arbeitsunfähigkeit beruft. Weiter wäre zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Kündigungsentschluss wegen eines mutmaßlichen Desinteresses der Arbeitnehmerin an der Schulung schon vor der Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit gefasst haben müsste. Hierzu liegt kein nachvollziehbarer Sachvortrag durch die Beklagte vor. Insbesondere hat sich die Beklagte auch nicht mit dem Sachvortrag der Klägerin auseinandergesetzt, dass Herr G anlässlich des Telefonats bezüglich der Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Arbeitnehmerin geäußert habe, dass es ihm leid tue, dass die Arbeitnehmerin jetzt erkrankt sei, sie aber nun einmal in der Einarbeitung sei und dass daher das Beschäftigungsverhältnis beendet werden müsse. Auch dass Herr G im weiteren Verlauf geäußert habe, dass Frau B sich gerne nach erfolgter Genesung wieder melden könne, spricht gegen ein festgestelltes angebliches Desinteresse der Arbeitnehmerin.“
(Letzte Aktualisierung: 06.02.2020)
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Axel Möller
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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