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Sind hinausgeschobene Ansprüche auf variable Vergütungsbestandteile in Long-Term-Incentive-Programmen regulierter Vergütungssysteme als Vermögenswert im Zugewinnausgleich zu beachten?

Sind hinausgeschobene Ansprüche auf variable Vergütungsbestandteile in Long-Term-Incentive-Programmen regulierter Vergütungssysteme als Vermögenswert im Zugewinnausgleich zu beachten?
Frage der Woche
16.11.2023

Sind hinausgeschobene Ansprüche auf variable Vergütungsbestandteile in Long-Term-Incentive-Programmen regulierter Vergütungssysteme als Vermögenswert im Zugewinnausgleich zu beachten?

Das ist eine Frage des Einzelfalls! Siehe dazu etwa BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – XII ZB 400/22 [aus den Entscheidungsgründen]:

„§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB definiert das Endvermögen als das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstands gehört. Das Endvermögen setzt sich hiernach aus allen positiven Vermögenswerten und Verbindlichkeiten eines Ehegatten zusammen, die diesem bei Beendigung des Güterstandes – oder zu einem Zeitpunkt, der an die Stelle der Beendigung des Güterstandes tritt – zustehen. Zu den im Endvermögen zu berücksichtigenden Vermögenswerten zählen alle dem Ehegatten zustehenden rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert, das heißt neben den dem Ehegatten gehörenden Sachen alle ihm zustehenden objektiv bewertbaren Rechte, sofern sie am Stichtag bereits entstanden und noch vorhanden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 534/12 – FamRZ 2014, 368 Rn. 24). Um einen solchen Vermögenswert handelt es sich bei dem künftigen Vergütungsanspruch des Ehemanns aus dem LTI für die Jahre 2013 bis 2015 nicht.

(…) Allerdings steht es einer Einbeziehung der am Stichtag noch nicht ausgezahlten variablen Vergütung in den Zugewinnausgleich nicht bereits entgegen, dass es sich dabei um Bestandteile des von dem Ehemann bezogenen Arbeitseinkommens handelt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts wären aus dem LTI zufließende Geldbeträge im Hinblick auf die insgesamt günstigen Einkommensverhältnisse der Beteiligten nicht für deren Lebensbedarf benötigt, sondern absehbar nur für die Vermögensbildung verwendet worden. Danach begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Beschwerdegericht diesen Bestandteil des von dem Ehemann erzielten Arbeitseinkommens nicht als künftiges unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen behandelt und nicht schon aus diesem Grunde aus dem güterrechtlichen Ausgleich ausgeschlossen hat (vgl. Staudinger/Thiele BGB [2017] § 1374 Rn. 5). Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

(…) Ebenfalls zutreffend – und für die Rechtsbeschwerde günstig – ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass am Stichtag 21. Juni 2016 noch kein Anspruch auf Zahlungen aus dem LTI für die Geschäftsjahre 2013 bis 2015 entstanden war.

Mit Recht hat das Beschwerdegericht insoweit auf den Wortlaut von Ziffer B. V. 13 Abs. 1 CIP abgestellt, wonach ein Anspruch aus dem LTI frühestens nach Ablauf der Deferral Period entsteht. Nur diese Sichtweise steht im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen in § 20 Abs. 4 Nr. 1 und 2 der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) vom 16. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4270), nach denen während des Zurückbehaltungszeitraums für den Begünstigten kein Anspruch auf den zurückbehaltenen Teil der variablen Vergütung, sondern allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermittlung der variablen Vergütung als Merkposten in einem Konto oder Depot bestehen darf (vgl. auch Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht [Stand: 15. Februar 2018], veröffentlicht auf www.bafin.de, Umdruck S. 61); eine entsprechende Regelung enthielt auch die mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getretene Vorgängerregelung (vgl. § 5 Abs. 4 der Instituts-Vergütungsverordnung vom 6. Oktober 2010, BGBl. I S. 1374). Mit den vorgenannten Bestimmungen zur hinausgeschobenen Entstehung des Vergütungsanspruchs mag zwar in erster Linie intendiert gewesen sein, eine vergütungswirksame Berücksichtigung von negativen Einflüssen während des Zurückbehaltungszeitraums in arbeitsrechtlicher Hinsicht abzusichern (vgl. Begründung zur Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Oktober 2010, Anmerkung zu den §§ 5, 6 und 8, veröffentlicht auf www.bafin.de; vgl. auch Annuß in Annuß/Früh/Hasse Institutsvergütungsverordnung Versicherungsvergütungsverordnung § 20 InstitutsVergV Rn. 6; Buscher/Hannemann/Wagner/Weigl Institutsvergütungsverordnung S. 219 f.). Das ändert aber nichts daran, dass die an den regulatorischen Vorgaben orientierte Vertragsgestaltung beim CIP in dieser Hinsicht eindeutig ist.

(…) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts sind künftige Ansprüche auf Zahlungen aus dem LTI für die Geschäftsjahre 2013 bis 2015 aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtlich geschützten Anwartschaft in die Vermögensbilanz des Ehemanns einzustellen.

(…) Richtig sind allerdings die rechtlichen Ausgangspunkte des Beschwerdegerichts: In die Berechnung des Zugewinnausgleichs können grundsätzlich auch rechtlich geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen einbezogen werden, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben – notfalls durch Schätzung – bewertbar sind (Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 534/12 – FamRZ 2014, 368 Rn. 24; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 146, 64 = FamRZ 2001, 278, 280). Bloße Erwerbsaussichten sowie in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur rechtlich geschützten Anwartschaft erstarkt sind, bleiben demgegenüber unberücksichtigt (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 534/12 – FamRZ 2014, 368 Rn. 24 und Senatsurteil vom 28. Februar 2007 – XII ZR 156/04 – FamRZ 2007, 877 Rn. 14).

Hiernach wurden in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechtsstellung eines Nacherben (vgl. BGHZ 87, 367 = FamRZ 1983, 882, 884), ein nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes bereits unverfallbar gewordenes Versorgungsanrecht auf Auszahlung eines Kapitalbetrages (vgl. Senatsurteile vom 17. November 2010 – XII ZR 170/09 – FamRZ 2011, 183 Rn. 18 und BGHZ 117, 70 = FamRZ 1992, 411 ff.) sowie eine durch einen ´qualifizierten Interessenausgleich´ gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG dem Grunde nach zugesagte und nicht als Ausgleich für Einkommensverluste bestimmte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 64 = FamRZ 2001, 278, 281) als nach wirtschaftlichen Maßstäben bewertbare Rechtspositionen behandelt, die eine rechtlich geschützte Anwartschaft oder eine vergleichbar gesicherte Rechtsstellung darstellten. Ein in seiner Entstehung noch ungewisses Recht wurde demgegenüber in dem möglichen Anspruch eines Zeitsoldaten auf Gewährung eines einmaligen Geldbetrages als Übergangsbeihilfe am Ende seiner Dienstzeit erblickt, weil am Stichtag weder der Eintritt der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen absehbar noch vorauszusehen sei, ob ein anschließendes Dienstverhältnis als Berufssoldat begründet werden würde (vgl. BGH Urteil vom 9. Juni 1983 – IX ZR 56/82 – FamRZ 1983, 881 f.). Bei dem am Stichtag noch nicht beendeten Agenturvertrag eines Versicherungsvertreters stellt dessen möglicher Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 1 HGB ebenfalls nur eine Erwerbsaussicht und keine rechtlich geschützte Anwartschaft dar, weil der Ausgleichsanspruch kraft Gesetzes in den praxisrelevanten Fällen der Eigenkündigung oder der unternehmerseitigen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 89 b Abs. 3 HGB) von vornherein nicht zur Entstehung gelangen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 534/12 – FamRZ 2014, 368 Rn. 26 ff.; BGHZ 68, 163 = FamRZ 1977, 386, 387).

(…) Gemessen daran kann unter den hier obwaltenden Umständen nicht vom Bestehen einer rechtlich geschützten Anwartschaft oder einer vergleichbaren Rechtsposition des Ehemanns auf Zahlungen aus dem LTI am Stichtag ausgegangen werden.“

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Autor(en)


Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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