Recht zur Ausschließung eines Gesellschafters ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes?
Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem es um das Recht zum freien Ausschluss eines Mitgesellschafters aus einer GmbH gegangen ist (OLG München, Urt. v. 13.05.2020 – 7 U 1844/19, NJW-Spezial 2020, 433). Das OLG ist der Auffassung, dass ein solches Recht nur ausnahmsweise besteht und verneint vorliegend einen solchen Ausnahmefall. In den Entscheidungsgründen heißt es:
a. Nach der Rechtsprechung des BGH sind gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit in einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Das gleiche gilt für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Regelungen (BGH, Urteil vom 19.09.2005 – II ZR 173/04, Rdnr. 10) und damit im streitgegenständlichen Fall für die Gesellschaftervereinbarung und deren Anlage 6, die CEO-Zusatzbestimmungen. Die freie Ausschließungsmöglichkeit könnte nämlich vom betroffenen Gesellschafter als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen (BGH, aaO).
Von diesem Grundsatz der Sittenwidrigkeit macht der BGH jedoch dann eine Ausnahme, wenn wegen besonderer Umstände ein sachlicher Grund für die freie Ausschließungsmöglichkeit gegeben ist (BGH, aaO, Rdnr. 11), wobei eine Rückkauf- und -abtretungsvereinbarung nach den Umständen des Einzelfalles einen derartigen sachlichen Grund darstellen kann (BGH, aaO, Rdnr. 12).
In dem von ihm entschiedenen Fall sah der BGH dies als gegeben an. Denn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des jeweiligen Geschäftsführers mit bis zu 10 Prozent hatte nach dem Unternehmenskonzept die Funktion, den Geschäftsführer stärker an das Unternehmen zu binden, seine Motivation zu steigern und seine Stellung als geschäftsführender Gesellschafter
innerhalb des Betriebes und nach außen aufzuwerten. Dabei stand wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft, der jeweils vollständig ausgeschüttet wurde, im Vordergrund. Damit wurde dem Geschäftsführer eine – von seinem Geschick bei der Unternehmensführung mitabhängige und diesen Erfolg widerspiegelnde – Einnahmequelle neben seinem Gehalt eingeräumt. Demgegenüber waren die Möglichkeiten des Geschäftsführers, in der Gesellschafterversammlung seine Vorstellungen gegen den Willen der einzigen Mitgesellschafterin durchzusetzen, praktisch ausgeschlossen. Alle gesetzlichen und satzungsmäßigen Mehrheiten hatte die einzige Mitgesellschafterin. Dafür war das finanzielle Risiko des Geschäftsführers gering. Er brauchte für den Erwerb des Geschäftsanteils nicht mehr als den Nennwert zu zahlen. Im Ergebnis erlangte der Geschäftsführer eine treuhänderähnliche Stellung, deren wirtschaftlicher Wert – bei denkbar geringem eigenen Risiko – in dem erheblichen Gewinnausschüttungspotential während der Dauer seiner organschaftlichen und dienstvertraglichen Bindung an die Gesellschaft lag. Mit deren Beendigung war es selbstverständlich, dass die weitere Beteiligung ihren rechtfertigenden Sinn – Bindung an das Unternehmen, Motivationssteigerung und Belohnung für erfolgreichen Einsatz – verlor. Nur durch die Rückübertragung wurde der Mitgesellschafterin unter Wahrung ihres mindestens 90prozentigen Gesellschaftsanteils die Möglichkeit eröffnet, den Nachfolger im Amt des Geschäftsführers in gleicher Weise zu beteiligen und damit das Geschäftsmodell auf Dauer fortzuführen (BGH, aaO, Rdnr. 13).
Bei dieser Sachlage folgerte der BGH, dass der das Hinauskündigungsverbot tragende Gedanke, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, nicht berührt sei. Der Verlust der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers falle insoweit nicht entscheidend ins Gewicht, weil die – von vornherein auf Zeit eingeräumte – Beteiligung in dem Managermodell
nur einen Annex zur Geschäftsführerstellung darstelle.
b. Im streitgegenständlichen Fall ist der Sachverhalt jedoch ein grundlegend anderer.
aa. Schon die Höhe des Anteils des Klägers an der Gesellschaft (25%) spricht dagegen, die Beteiligung des Klägers als reinen Annex zu seiner Geschäftsführertätigkeit zu qualifizieren. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn es – wie im Fall des BGH aufgrund des zuletzt über 90prozentigen Anteils der Mehrheitsgesellschafterin – praktisch ausgeschlossen wäre, dass der Kläger seine Vorstellungen in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann. Gerade dies ist aber aufgrund der 25prozentigen Beteiligung des Klägers und der Vielgliedrigkeit der Beklagten (neben dem Kläger noch sechzehn weitere Gesellschafter) nicht tatsächlich unmöglich.
Zunächst kann der Kläger nach Ziffer 8.8 lit. b des Gesellschaftsvertrages und entsprechend § 50 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung und die dortige Behandlung von Gegenständen zur Beschlussfassung
erzwingen, was dem Geschäftsführer im BGH-Fall bei einem zuletzt 9,95prozentigen Anteil schon nicht möglich war.
Dass die sechzehn weiteren Gesellschafter in einer dergestalt vom Kläger erzwingbaren Gesellschafterversammlung sodann in jedem Fall einhellig gegen ihn stimmen, deshalb der Beklagte in der Gesellschafterversammlung praktisch immer gegen die Einheitsfront der übrigen Gesellschafter unterliegen würde und folglich faktisch von seiner Gesellschafterstellung gar keinen Gebrauch machen kann, ist von der Beklagten in erster Instanz nicht und in der Folge auch nicht einmal in der Berufungsbegründung behauptet worden. Dies unterblieb, obwohl die Stimmverhältnisse bereits in erster Instanz von den Parteien thematisiert wurden (
). Auch nach den Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil zum Einfluss des Klägers auf das Abstimmungsergebnis in der Gesellschafterversammlung der Beklagten (
) trug die Beklagte nur vor, dass es sich bei den weiteren 16 Gesellschaftern um einen Kreis befreundeter Familien (handle), die sich zum Zwecke der privaten Geldanlage koordinieren
(
), und dass sich der Kläger einerseits und die persönlich verbundenen und gemeinsam agierenden anderen Gesellschafter als Gruppen
gegenüberstünden (
). Auch die Bildung einer Gruppe bedeutet jedoch nicht ein notwendigerweise gleiches Stimmverhalten aller Gesellschafter in jeder Abstimmung einer Gesellschafterversammlung. So wird folglich auch im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 12.03.2020, mit dem auf die Berufungserwiderung repliziert wurde und in dem die Einflussmöglichkeiten des Klägers in der Gesellschafterversammlung der Beklagten erneut erörtert wurden, ein notwendigerweise stets einheitliches Stimmverhalten der übrigen 16 Gesellschafter nicht behauptet (
).