Die befristete Leistungsentscheidung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Seit dem Inkrafttreten des aktuellen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum 01.01.2008 gibt es die gesetzlich normierte Möglichkeit, das Leistungsanerkenntnis eines Versicherers zeitlich befristet abzugeben (§ 173 Abs. 2 VVG). Eine Vielzahl von Judikatur gibt es zu dieser Vorschrift bislang noch nicht. Das Landgericht Dortmund, welches in versicherungsrechtlicher Hinsicht häufig wegweisende Entscheidungen trifft, hat sich in einer aktuellen Entscheidung ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt (BeckRS 2015, 02105). Anlass genug, den ohnehin problematischen Bereich der Befristung von Leistungsanerkenntnissen in der Berufsunfähigkeitsversicherung unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zu beleuchten.
Zur Problemstellung:
Grundsätzlich ist ein Versicherer angehalten, nach Eintritt des Versicherungsfalles seine Leistungspflicht unbefristet anzuerkennen (vgl. § 5 MB BUZ 90 / § 8 Abs. 1 MB BUZ 2014). D.h. der Versicherer ist nach Abgabe eines solchen Anerkenntnisses grundsätzlich verpflichtet, die versprochenen Versicherungsleistungen bis zum Vertragsablauf auszukehren. Von dieser Verpflichtung kann er sich nur durch ein Nachprüfungsverfahren lösen, in dem er allerdings recht hohe Hürden überwinden muss. Denn dann muss der Versicherer eine erstmalige Verweisbarkeit, eine erstmalige Umorganisierbarkeit oder eine objektivierbare Gesundheitsverbesserung nachweisen und im Zweifelsfall beweisen. Das ist auch grundsätzlich richtig so, denn der BU-Rentner, der regelmäßig seinen Lebensunterhalt aus der Versichersleistung bestreitet, darf berechtigter Weise darauf vertrauen, dass bei unveränderter Sachlage, der Rentenbezug nicht beendet wird.
Die Ausnahmen:
Davon gibt es mittlerweile drei bzw. vier Ausnahmen, wobei die in der Praxis häufigste die sogn. Regulierungsvereinbarung ist. Der Versicherer bietet dem Versicherungsnehmer für einen bestimmten Zeitraum Kulanzleistungen an; eine Vorgehensweise die nicht in den Versicherungsbedingungen geregelt ist und daher nicht in diese Betrachtung einbezogen werden soll.
Die echte befristete Anerkennung für die Vergangenheit
Beispielsfall: A beantragt Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung, da er sich aufgrund einer unkomplizierten Beinfraktur für die Tätigkeit des Gerüstbauers für die Dauer von neun Monaten als berufsunfähig ansieht. Der Versicherer prüft und prüft und prüft und stellt nach einem Jahr fest: A hatte Recht. A war für neun Monate berufsunfähig, ist aber seit drei Monaten wieder nachweisbar genesen.
Formal korrekt müsste nun der Versicherer zunächst ein Schreiben verfassen, in dem er seine Leistungspflicht anerkennt. Sodann müsste er ein weiteres Schreiben verfassen, in dem er seine Leistungspflicht für wieder beendet erklärt. Wohlgemerkt unter Überwindung der oben dargestellten Hürden. D.h. er müsste die nach neun Monaten eingetretene Genesung objektiv auch dokumentieren können.
Hier hat die Rechtsprechung – wohl nicht ganz unrecht – angemerkt, dass es sich bei dieser Vorgehensweise um eine übertriebene Förmelei handeln würde. Insoweit ist der Versicherer berechtigt beide Aspekte in einem Schreiben zu formulieren.
Diese Form des befristeten Anerkenntnisses ist, was gelegentlich übersehen wird, also nur dann möglich, wenn auch der Wegfall der Berufsunfähigkeit bereits in der Vergangenheit eingetreten ist.
Das befristete Anerkenntnis unter Zurückstellung der Frage der Verweisung
Beispielsfall: A arbeitete zuletzt in gesunden Tagen als Gerüstbauer und ist außerdem gelernter Einzelhandelskaufmann. Er hat sich eine komplexe Unterschenkelfraktur zugezogen. Nach durchgeführter Leistungsprüfung erkennt der Versicherer, dass für den Ursprungsberuf eine dauerhafte Berufsunfähigkeit vorliegt. Ob das aktuelle Restleistungsvermögen ausreichend ist, den A aktuell auf die Tätigkeit des Verkäufers zu verweisen ist ungewiss. Zukünftig dürfte eine solche Verweisung aber möglich sein.
Für solche Fälle wurde § 5 Abs. 2 in die MB BUZ 90 aufgenommen. Hier kann der Versicherer seine Leistungspflicht für den Hauptberuf anerkennen, und die Verweisungsprüfung zu einem späteren Zeitpunkt durchführen. Der Versicherungsnehmer ist dann mit dem Argument abgeschnitten, die Verweisbarkeit sei bereits zum Anerkenntniszeitpunkt erkennbar gegeben gewesen und daher im Nachprüfungsverfahren verspätet durchgeführt worden. Die praktische Relevanz dieser Norm ist sehr überschaubar geblieben.
Das echte befristete Anerkenntnis (für die Zukunft)
Folgender Fall hat hingegen eine viel größere praktische Bedeutung: A beantragt Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Es steht fest, dass er mindestens sechs Monate gesundheitsbedingt nicht arbeiten konnte. Der aktuelle Status ist fraglich, die bereits vorliegenden Unterlagen sind relativ dünn
, und ggf. nicht ausreichend, um in einem späteren Nachprüfungsverfahren als Vergleichsgrundlage herangezogen zu werden.
Der vorsichtige Versicherer fordert nun weiter medizinische Unterlagen an, um die Krankheit besser dokumentieren zu können. Ggf. fordern die Beratungsärzte der Versicherung darüber hinaus die Einholung ergänzender Gutachten. Die Zeit vergeht, ohne dass der VN Leistungen erhält, obwohl unstreitig der Versicherungsfall eingetreten ist.
Um hier die Hemmung des Versicherers vor der Anerkennung aus Angst vor den Hürden eines Nachprüfungsverfahrens zu nehmen, hat der Gesetzgeber dem Versicherer in § 173 Abs. 2 VVG die Möglichkeit eröffnet, in sein Bedingungswerk eine Regelung aufnehmen, die Leistungspflicht auch losgelöst von der Frage der Verweisung befristet anzuerkennen. Er darf von dieser Möglichkeit nur einmal Gebrauch machen. Die Länge des Anerkenntniszeitraums obliegt seiner Disposition. Es ist ihm aber verboten, während des Anerkenntniszeitraums ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen.
Der Fall
Das Landgericht Dortmund hatte nun ein Fall zu entscheiden, dem ein altes Bedingungswerk zu Grunde lag, dass nur eine Befristung nach § 5 Abs. 2 MB BUZ 90 kannte und das nicht nach Art 1 Abs. 3 EGVVG an die neue Rechtslage angepasst war. Der Kläger sah sich als aufgrund einer ganzen Reihe von Erkrankungen als (dauerhaft) berufsunfähig an. Die beklagte Versicherung akzeptierte lediglich die somatischen Beschwerden und erkannte darauf hin, für einen aus Sicht des Anerkenntniszeitpunktes ausschließlich in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, die Leistungspflicht an, ohne zum Ende des Anerkenntniszeitraums eine Gesundheitsbesserung darzulegen.
Das Landgericht Dortmund prüfte nun, ob sich das Anerkenntnis unter eine der oben dargestellten Befristungsmöglichkeiten subsumieren lässt. Ein echtes befristetes Anerkenntnis kam nicht in Betracht, weil das Anerkenntnis hinsichtlich der Leistungseinstellung nicht den Anforderungen eines Nachprüfungsverfahrens genügte. Ein befristetes Anerkenntnis unter Zurückstellung der Frage der Verweisung war nicht einschlägig, da die Berufsunfähigkeit gerade für den zuletzt ausgeübten Beruf anerkannt worden war. Eine Befristung nach § 173 Abs. 2 VVG kam nicht in Betracht, da zum einen nach der ratio legis der vorgenannten Norm eine solche Befristung aus Sicht des Anerkenntniszeitpunktes in der Zukunft liegen muss und zum anderen sah das dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegende Bedingungswerk eine solche Regelung gar nicht vor.
Da alle drei Varianten nicht in Betracht kamen, wertete das Landgericht Dortmund das befristete Anerkenntnis konsequenter Weise als unbefristet. Der Kläger hatte somit einen dauerhaften Leistungsanspruch.
Fazit:
- Durch § 173 Abs. 2 VVG wurde dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet, eine Regelung für ein befristetes Anerkenntnis – auch in Bezug auf den zuletzt ausgeübten Beruf – in sein Bedingungswerk aufzunehmen. Es wurde ihm nicht die Möglichkeit eröffnet, neben dem Bedingungswerk ein solches Anerkenntnis auszusprechen.
- Das befristete Anerkenntnis ist ohnehin ein schwieriges Themenfeld in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Es ist durch das neue VVG nicht einfacher geworden. Auch namhaften Lebensversicherern unterlaufen hierbei nicht selten Fehlentscheidungen.
- Sofern man als Versicherter ein lediglich befristetes Anerkenntnis erhält, ist es eigentlich immer angezeigt, durch einen versierten Anwalt die inhaltliche Berechtigung und formale Umsetzung auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu lassen.