Beeinträchtigende Schenkung an einen Miterben (§§ 2287 Abs. 1, 818 ff. BGB)
Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat sich mit der beeinträchtigenden Schenkung an einen Miterben befasst und im konkret entschiedenen Fall eine solche beeinträchtigende Schenkung erkannt (OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2022 – 5 U 98/21).
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat dieser dem Grunde nach Anspruch gegen beide Beklagte auf anteilige Herausgabe der ihnen im Jahre 2010 zugewandten Geldbeträge (§§ 2287 Abs. 1, 818 ff. BGB). Unter Berücksichtigung der zugleich einvernehmlich aufgegebenen Erwartung auf die ihnen testamentarisch zugewandten Grundstücksvermächtnisse, deren Wert bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs zu berücksichtigen ist, handelte sich dabei um nach den Grundsätzen über (gemischte) Schenkungen zu beurteilende Zuwendungen, die von der Erblasserin in der Absicht bewirkt worden sind, den Kläger zu beeinträchtigen.
1.
Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe (bzw. bei einem gemeinschaftlichen Testament der Schlusserbe), nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Sind – wie hier – mehrere bindend eingesetzte Schlusserben vorhanden, steht dieser Anspruch jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil, zu (BGH, Urteil vom 10. März 2021 – IV ZR 8/20, NJW-RR 2021, 521). Diese Voraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt:
a)
Wie das Landgericht im Ausgangspunkt richtig sieht, ist der Anwendungsbereich des § 2287 Abs. 1 BGB eröffnet; denn die Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden (zuletzt BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 72/11, NJW-RR 2012, 207; Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329; Urteil vom 10. März 2021 – IV ZR 8/20, NJW-RR 2021, 521). Um einen solchen Fall handelt es sich hier, wie in dem angefochtenen Urteil völlig zur Recht ausgeführt wird. Die Erblasserin war gemäß §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB an die Einsetzung des Klägers als Schlusserben in dem gemeinschaftlichen Testament vom 1. Juli 1987 gebunden, weil diese Bestimmung bei sachgerechter Auslegung in Wechselbezug zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute steht (§§ 133, 2084 BGB) und dieses auch keinen von den Beklagten eingewandten Änderungsvorbehalt enthält.
aa)
Wann eine Verfügung wechselbezüglich ist, ergibt sich aus dem in § 2271 Abs. 1 BGB in Bezug genommenen § 2270 BGB. Danach kommt es darauf an, ob anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Hierzu ist die letztwillige Verfügung auszulegen. Für den Fall, dass die bei der Auslegung gebotene Willenserforschung der Testierenden weder die Abhängigkeit noch die Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, kann auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 5 W 53/17, NJW 2018, 957; Beschluss vom 21. Juni 1990 – 5 W 95/90, FamRZ 1990, 1285; Staudinger/Kanzleiter (2019) BGB § 2270, Rn. 26a; Musielak in: MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2270 Rn. 9). Danach ist ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander im Zweifel anzunehmen, wenn die Ehegatten einander gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht.
bb)
Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments vom 1. Juli 1987, dass die darin getroffenen Verfügungen wechselbezüglich erfolgen sollten, weshalb es eines Rückgriffs auf die – gleichlautende – gesetzliche Regelung des § 2270 Abs. 2 BGB nicht bedarf. Zwar enthält das Testament insoweit keine ausdrückliche Bestimmung, allerdings deutet schon die gewählte Form eines ´Berliner Testaments´ sowie die eingangs enthaltene Formulierung ´unser letzter Wille´ und die damit verbundene inhaltliche Gleichartigkeit der Verfügungen darauf hin, dass die Ehegatten hier eine gemeinsame, sie wechselseitig auch bindende Nachfolgeregelung treffen wollten (vgl. BayObLG, NJW-RR 1999, 878; Musielak, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2270 Rn. 14). Vor allem aber lassen auch die weiteren Umstände und die Interessenlage der Ehegatten einen solchen Schluss mit hinreichender Gewissheit zu, wie auch schon das Landgericht von den Parteien unbeanstandet angenommen hat. Bei den von den Ehegatten bedachten Schlusserben handelte es sich um die gemeinsamen Abkömmlinge, die, wie die Formulierung des Testaments und insbesondere die weitere Regelung zur Verteilung des Grundbesitzes verdeutlichen, nach dem Ableben des Letztversterbenden vermögensmäßig bedacht werden sollten. Wer jedoch unter diesen Umständen sein Vermögen letztendlich an die eigenen Kinder weitergeben will, sie aber trotzdem für den ersten eigenen Todesfall enterbt, tut das grundsätzlich im Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Schlusserbeinsetzung des anderen Ehegatten das gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen wird (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 5 W 53/17, NJW 2018, 957; OLG München, NJW-RR 2013, 202). Das gilt auch hier, zumal beachtliche Gründe, die aus Sicht der Testierenden gegen eine Bindung des Überlebenden sprechen mochten, etwa erhebliche Unterschiede in den Vermögensverhältnissen der Ehegatten oder in der Lebenserwartung (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2021 – 5 U 22/21, juris; Beschluss vom 21. Juni 1990 – 5 W 95/90, FamRZ 1990, 1285; Musielak, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2270 Rn. 7), nicht ersichtlich sind. Schließlich ist auch die Erblasserin selbst bis zuletzt erkennbar von einer Wechselbezüglichkeit und einer daraus resultierenden Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments ausgegangen, was ebenfalls auf einen entsprechenden Willen der Testierenden bei Errichtung des Testamentes hindeutet und bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 5 W 53/17, NJW 2018, 957; BayObLG, FamRZ 1991, 1232; Reymann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 2270 BGB, Rn. 25). Denn sie hat stets – und insbesondere mit ihrem Schreiben vom 8. Juni 2010 – nicht abweichend testiert, dies auch erkennbar nicht gewollt, sondern nur dem aus ihrer Sicht maßgeblichen gemeinsamen Willen der Ehegatten Geltung verschaffen wollen.
cc)
Das gemeinschaftliche Testament enthält auch keinen zugunsten der Erblasserin wirkenden (stillschweigenden) Änderungsvorbehalt, wie die Beklagten gemeint haben. Da es den Ehegatten freisteht zu bestimmen, ob und inwieweit ihre letztwilligen Anordnungen wechselbezüglich sein sollen, sind sie auch als befugt anzusehen, die Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen über den im Gesetz vorgesehenen Rahmen hinaus zu erweitern bzw. zu beschränken oder auszuschließen und dem Überlebenden sogar ein freies Widerrufsrecht einzuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 777; OLG Rostock, FamRZ 2021, 642; Weidlich, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 2271 Rn. 20). Ein solcher Abänderungsvorbehalt kann ausdrücklich erklärt werden oder ggf. auch dem Testament im Wege der Auslegung zu entnehmen sein; im Hinblick auf die grundsätzliche Bindung wechselbezüglicher Verfügungen und das damit geschützte Vertrauen des vorverstorbenen Erblassers an dem Weiterbestand der von den Ehegatten getroffenen Verfügungen ist aber gerade in diesem letztgenannten Fall sowohl hinsichtlich der Annahme einer Abänderungsbefugnis als auch hinsichtlich deren Umfangs ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 1488; OLG München, NJW-RR 2011, 1020; Weidlich, in: Palandt, a.a.O., § 2271 Rn. 21). Vorliegend lässt sich ein dahingehender Wille der Testierenden nicht feststellen. Ausdrücklich erklärt wurde dies in dem gemeinschaftlichen Testament ohnehin nicht; es enthält, von der Erbeinsetzung und dem Vermächtnis abgesehen, kleine weiteren Regelungen, etwa in Gestalt einer Freistellungsklausel zugunsten des Überlebenden, die solches nahelegen könnten. Auch bestehen entgegen der Ansicht der Beklagten keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen im Wege der ergänzenden Auslegung zu ermittelnden gemeinsamen Willen der Eheleute dahin, dass die überlebende Ehegattin mit Blick auf vermeintlich enttäuschte Erwartungen über die Baulandeigenschaft der ihnen zugewandten Grundstück die Möglichkeit einer abweichenden Verfügung haben sollte. Dagegen spricht bereits, dass die Einsetzung der Beklagten auf die ´alsbald bebaubaren´ Grundstücke ausdrücklich unter Hinweis auf die den Klägern zuvor ´kostenlos´ überlassenen Grundstücke erfolgte, mithin beiden Ehegatten bekannt war, dass eine Bebaubarkeit derzeit nicht vorlag, sie mithin das Risiko einer auch wertmäßigen Benachteiligung der Beklagten durch diese Zuwendung gerade in Rechnung gestellt hatten. Dementsprechend kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die erhebliche Vermögensdiskrepanz zum Zeitpunkt des Testierens von den Eheleuten nicht bedacht wurde (vgl. in Abgrenzung hierzu etwa OLG München, NJW-RR 2011, 1020). Bei dieser Sachlage müssten für die Annahme einer Änderungsbefugnis des überlebenden Ehegatten schon deutliche andere Anhaltspunkte vorliegen, für die hier jedoch nichts ersichtlich ist.
b)
Bei den von der Erblasserin im Jahre 2010 bewirkten Auszahlungen von jeweils 70.000,- Euro an die beiden Beklagten handelte es sich um der Rückforderung nach § 2287 Abs. 1 BGB unterliegende (zumindest gemischte) Schenkungen, die den Kläger insoweit auch objektiv beeinträchtigen.
aa)
Unter einer Schenkung im Sinne von § 2287 BGB ist – ebenso wie bei § 2325 BGB – eine solche im Sinne von § 516 zu verstehen (BGH, Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329). Zu der Bereicherung des anderen Teils muss daher noch eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung oder – bei der gemischten Schenkung – über die Unentgeltlichkeit des nicht durch die Gegenleistung abgegoltenen Teiles der Zuwendung hinzukommen (BGH, Urteil vom 23. September 1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274; zu § 2325 BGB auch BGH, Urteil vom 14. März 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475; Senat, Urteil vom 12. Februar 2020 – 5 U 59/19, ZEV 2020, 767). Darlegungs- und beweisbelastet für diese tatsächlichen Voraussetzungen ist der Kläger, dem allerdings wegen des subjektiven Tatbestandes einer Schenkung, nämlich der Einigkeit der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit, Beweiserleichterungen insoweit zukommen, als aus einem auffallenden groben Missverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung in Einklang mit der Lebenserfahrung darauf geschlossen werden kann, dass dies auch die Vertragspartner erkannt haben und dass sie sich in Wahrheit über die unentgeltliche Zuwendung derjenigen Bereicherung einig waren, die sich bei einer verständigen und nach den Umständen vertretbaren Bewertung der beiderseitigen Leistungen ergeben hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458; Urteil vom 21. Mai 1986 – IVa ZR 171/84, NJW-RR 1986, 1135).
bb)
In Anwendung dieser Grundsätze lagen der Auszahlung von jeweils 70.000,- Euro an die beiden Beklagten im Jahre 2010 vereinbarungsgemäß Schenkungen der Erblasserin im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB zugrunde. Selbst angesichts des Umstandes, dass die Zuwendung einvernehmlich unter Verzicht der Beklagten auf etwaige künftige Rechte aus den ihnen testamentarisch zugewandten Grundstücksvermächtnissen erfolgte und daher insoweit auch keine Benachteiligungsabsicht der Erblasserin vorläge, wurde der überlassene Betrag jedenfalls zu weit überwiegendem Anteil den Beklagten unentgeltlich zugewandt.
(1)
Daran, dass die Erblasserin durch die Auszahlung von 70.000,- Euro an jeden der beiden Beklagten ersichtlich – auch – deren etwaige künftige Ansprüche aus dem Grundstücksvermächtnis wertmäßig abgelten wollte, mithin der Zuwendung eine Gegenleistung der Beklagten in Gestalt eines entsprechenden Verzichts (§ 397 BGB) gegenübersah, bestehen keine Zweifel. Ein entsprechender Wille geht ohne weiteres aus ihrem Schreiben vom 8. Juni 2010 hervor, und dies unbeschadet der Behauptung des Klägers, der Inhalt beruhe auf einer anwaltlichen Beratung durch den späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Ohne Rücksicht auf die in dem Schreiben angeführten weiteren Gründe, die die Zahlung auch der Höhe nach rechtfertigen sollen, stellt sie darin nämlich klar, dass die Grundstücke, die in der Folge von ihr veräußert wurden, weiterhin zum Nachlass gehören und nicht den Beklagten zufallen sollten. Dass auch die Beklagten dies so verstanden und akzeptiert haben, kann angesichts der widerspruchslosen Entgegennahme der – im Verwendungszweck der Überweisung mit ´Grundstücksausgleich´ benannten – Zahlung sowie ihres späteren Verhaltens, das sich immer an diesen Vorgaben der Erblasserin orientierte, ebenfalls nicht zweifelhaft sein.
(2)
Dem lag auch eine Gegenleistung der Beklagten in Gestalt eines entsprechenden Verzichts auf – aus damaliger Sicht zumindest mögliche – (künftige) Ansprüche aus dem Grundstücksvermächtnis zugrunde. Denn bei der in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Regelung, wonach ´bei der Vermögensaufteilung … berücksichtigt werden (soll), dass unsere Söhne Wo. und A. kostenlos ein Baugrundstück bekommen haben; deshalb sollen unsere Söhne G. und W. die Grundstücke erhalten, die alsbald bebaut werden können´ handelte es sich bei sachgerechter Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) um ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) und nicht – wie der Kläger meint – um eine bloße Teilungsanordnung (§ 2048 BGB). Dafür spricht entscheidend die damit erkennbar gewollte wertmäßige Begünstigung der beiden Beklagten, die durch die Zuwendung der ´alsbald bebaubaren´ Grundstücke vorab einen Vermögensvorteil gegenüber den übrigen Miterben erhalten sollten, während eine reine Teilungsanordnung nur dann gegeben wäre, wenn ein solcher Begünstigungswille fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1961 – V ZR 31/60, BGHZ 36, 115; Urteil vom 7. Dezember 1994 – IV ZR 281/93, NJW 1995, 721; Senat, Urteil vom 25. Juni 2014 – 5 U 3/14, ErbR 2015, 579; Rudy, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2150 Rn. 6). Dafür, dass die Testierenden den Beklagten eine Ausgleichspflicht hätten auferlegen wollen, bietet das Testament jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Ganz im Gegenteil folgt aus dem Hinweis auf frühere ´kostenlose´ Grundstückszuwendungen an den Kläger und den weiteren Bruder und der Wendung, deshalb sollten jetzt auch die Beklagten diese weiteren Grundstücke erhalten, dass die Eheleute beabsichtigten, diese vorab und ohne Rücksicht auf wertmäßige Veränderungen zu begünstigen. Dieser in dem Testament zum Ausdruck gebrachte Wille wäre mit einer Teilungsanordnung nicht zu erreichen gewesen. Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung im Einzelfall auch ein von der Erbeinsetzung unabhängiger Geltungsgrund für die Zuwendung – und damit ein Vorausvermächtnis – gewollt sein (Urteil vom 7. Dezember 1994 – IV ZR 281/93, NJW 1995, 721; Senat, Urteil vom 25. Juni 2014 – 5 U 3/14, ErbR 2015, 579). Der Kläger räumt jedoch selbst ein, dass es das Anliegen seiner Eltern gewesen sei, auch den Brüdern ein ´Stück Scholle´ zu vermachen (Bl. 138 GA). Auch dieser selbständige Geltungsgrund spricht hier durchgreifend für die Annahme, dass die Grundstücke den Beklagten als Vorausvermächtnis zugewandt worden sind. Selbst wenn dieses Vermächtnis den Beklagten erst mit dem Erbfall nach dem Letztverstorbenen angefallen wäre (vgl. § 2176 BGB), lag in der Entgegennahme der ´Ausgleichsbeträge´ durch die Beklagte in Kenntnis der Motive der Erblasserin ein Verzicht auf die aus damaliger Sicht angelegte, möglicherweise künftige Ansprüche (§§ 2174, 2288 BGB) begründende Rechtsposition.
(3)
Nichtsdestotrotz handelte es sich bei der Überlassung der Geldbeträge aber um (gemischte) Schenkungen, weil ein auffallend grobes Missverhältnis zwischen den Werten von Leistung und Gegenleistung vorliegt, aus dem auf das Vorliegen einer überwiegend unentgeltlichen Zuwendung geschlossen werden muss, die den Kläger insoweit auch objektiv beeinträchtigte. Nach der Rechtsprechung zu § 2325 BGB kommt es für die Frage, ob eine zumindest gemischte Schenkung vorliegt, grundsätzlich auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Schenkung, d.h. beim Vollzug des Vertrages an (BGH, Urteil vom 7. März 2001 – IV ZR 258/00, BGHZ 147, 95, 98; Urteil vom 17. April 2002 – IV ZR 259/01, NJW 2002, 2469). Selbst wenn man jedoch die von den Beklagten seinerzeit aufgegebene Rechtsposition – maximal – mit dem damaligen Wert der vermachten Grundstücke bemessen wollte, den die Parteien gegenüber dem Senat mit insgesamt 15.000,- Euro unstreitig gestellt haben (Bl. xx GA), liegt auf der Hand, dass dieser Betrag ganz erheblich hinter dem der überlassenen Geldbeträge zurückblieb, was auch den Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung zweifellos bekannt war, wie aus dem Schreiben der Erblasserin vom 8. Juni 2010 und dem Hinweis, es handele sich um ´Ackergrundstücke… die nur einen geringen Teil dessen Wert sind, was unsere beiden Kinder A. und Wo. erhalten haben´, ohne weiteres hervorgeht. Dementsprechend waren sich die Beteiligten bei Vornahme der Zuwendung darüber bewusst, dass die Zahlung, der Höhe nicht anhand dieser Gegenleistung, sondern des angeblichen Wertes der dem Kläger und dessen Bruder Wo. vormals überlassenen Grundbesitzes bemessen wurde, den für die Abgeltung der Ansprüche aus den Vermächtnissen erforderlichen Betrag ganz erheblich überstieg. Bei dieser Sachlage kann jedoch im Einklang mit der Lebenserfahrung ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass sich die Erblasserin und die Beklagten bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts über die – zumindest teilweise – Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig gewesen sind.
(4)
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten vor diesem Hintergrund auch darauf, dass es im Streitfall an einer objektiven Beeinträchtigung des Klägers durch die (gemischte) Schenkung fehle, weil diese – jedenfalls mittelbar – der Abgeltung von Vermächtnissen gedient habe, mit denen der Kläger als Schlusserbe nicht habe rechnen dürfen. Richtig ist daran zwar, dass § 2287 Abs. 1 BGB nicht eingreift, wenn und soweit die lebzeitige Verfügung des Erblassers außerhalb des Schutzbereichs der von ihm eingegangenen Bindungen liegt und also die berechtigte Erberwartung des Vertragserben nicht geschmälert wird (BGH, Urteil vom 23. September 1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274). So kann es der Annahme einer beeinträchtigenden Schenkung entgegenstehen, wenn der Erblasser den vom Kläger beanspruchten Gegenstand nicht an einen ´Außenstehenden´ weggegeben, sondern ihn berechtigterweise im Wege vorweggenommener Erbfolge auf einen Schlusserben übertragen hat (BGH, Urteil vom 23. September 1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 278), oder auch, wenn er damit Ansprüche des Begünstigten aus einem Vermächtnis erfüllt (BGH, Urteil vom 26. Februar 1986 – IVa ZR 87/84, BGHZ 97, 188, 193 f.). Darum geht es jedoch nicht, wenn und soweit – wie hier – zu der vereinbarten Gegenleistung ein auffallendes, grobes Missverhältnis besteht und die Zuwendung deshalb nach den Grundsätzen über die gemischte Schenkung zu behandeln ist (BGH, Urteil vom 26. Februar 1986 – IVa ZR 87/84, BGHZ 97, 188, 194). Jedenfalls in Höhe des überschießenden Betrages kann eine objektive Beeinträchtigung des Klägers mit dieser Begründung nicht verneint werden.
c)
Anders als das Landgericht gemeint hat, erfolgten die Schenkungen – im Umfang der unentgeltlichen Zuwendungen – vorliegend auch in der Absicht, den Kläger zu benachteiligen. Die abweichende Argumentation in der angefochtenen Entscheidung, die ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin im Wesentlichen damit begründet, dass diese eine nachträglich erkannte wertmäßige Schlechterstellung der Beklagten habe ausgleichen wollen, wird – so verständlich dieses Anliegen auf den ersten Blick auch erscheinen mag – von der Berufung aus Rechtsgründen mit Erfolg beanstandet.
aa)
Nach § 2286 BGB kann und darf der Erblasser, der sich durch Erbvertrag (bzw. ein gemeinschaftliches Testament) auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen festgelegt hat, über sein Vermögen trotz der eingegangenen Bindung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen. Missbraucht der Erblasser dieses ihm verbliebene Verfügungsrecht, dann genießt der Vertragserbe (bzw. Schlusserbe) den Schutz des § 2287 BGB. Die Grenze zwischen den Fallgestaltungen, bei denen dem Vertragserben bei ihn benachteiligenden Schenkungen dieser Schutz zukommt, und denjenigen Fällen, in denen der Vertragserbe schutzlos bleibt, wird mit Hilfe der Frage nach dem ´lebzeitigen Eigeninteresse´ des Erblassers gezogen. Hierfür kommt es darauf an, ob die Gründe, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt haben, ihrer Art nach so sind, dass der Vertragserbe sie anerkennen und dass er die Beeinträchtigung daher hinnehmen muss. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter im Einzelfall zu prüfen. Dabei muss er die Bindung des Erblassers an den Erbvertrag einerseits und seine Gründe für die Benachteiligung des Vertragserben andererseits unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zueinander in Beziehung setzen und deren Gewicht miteinander vergleichen (BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 – IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44).
bb)
Im Streitfall ist ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der Vornahme der Schenkung nicht ersichtlich, so dass die gebotene Gesamtabwägung hier, entgegen der Ansicht des Landgerichts und der – zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 18. Juni 2022 erneuerten – Auffassung der Beklagten zu deren Lasten gehen musste.
(1)
Ein den Missbrauch ausschließendes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint; es kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 72/11, NJW-RR 2012, 207; Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329). Schenkungen, die jedes vernünftige Maß überschreiten, sind dagegen nicht gerechtfertigt. Die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses scheidet ebenfalls aus, wenn der Erblasser die Zuwendungen wesentlicher Vermögenswerte in erster Linie auf Grund eines auf Korrektur der Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornimmt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264; Urteil vom 29. Juni 2005 – IV ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1462). Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 72/11, NJW-RR 2012, 207; Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329); der Beschenkte ist aber gehalten, schlüssig Umstände vorzutragen, die für ein solches Interesse sprechen und die der Vertragserbe sodann widerlegen muss (Weidlich, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 2287 Rn. 9; vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282; Urteil vom 26. Februar 1986 – IVa ZR 87/84, BGHZ 97, 188; OLG Hamm, NJW-RR 2018, 454; auch BGH, Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329 Rn. 14: ´die vorgebrachten Gründe´).
(2)
Im Streitfall rechtfertigen die von den Beklagten vorgebrachten Gründe jedoch nicht die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses der Erblasserin an den (gemischten) Schenkungen. Dass die den Beklagten zugewandten Beträge, auch unter Berücksichtigung des im Gegenzug eingegangenen Verzichts auf Ansprüche aus den Grundstücksvermächtnissen, erheblich waren und nicht (mehr) den Charakter eines Gelegenheitsgeschenkes aufwiesen, das der Kläger hinnehmen müsste, ist offenkundig. Zu billigenswerten Gründen, die die Erblasserin zu einer solchen Zuwendung hätten berechtigten können, etwa das grundsätzlich verständliche Anliegen, im Alter versorgt zu werden, oder eine sonstige sittliche Verpflichtung, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich; vielmehr folgt aus dem Schreiben der Erblasserin vom 8. Juni 2010 als ihr wesentliches Motiv die Absicht, ihre Kinder mit Blick auf vor der Testamentserrichtung bewirkte Grundstücksgeschenke zugunsten des Klägers und seines weiteren Bruders vermögensrechtlich gleichzustellen und auf diese Weise – vermeintliches – Versehen zu korrigieren. Ein solches Anliegen, das darauf abzielt, die sie bindenden Anordnungen aus dem gemeinschaftlichen Testament nachträglich zu korrigieren, spricht jedoch nicht gegen, sondern ganz im Gegenteil für einen die Anwendung des § 2287 BGB rechtfertigenden Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsbefugnis der Erblasserin (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 – IV ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1462; Urteil vom 25. Januar 2006 – IV ZR 153/04, FamRZ 2006, 473). Wie die Berufung zu Recht beanstandet, trifft die vom Landgericht für seine abweichende Ansicht herangezogene Annahme, das gemeinschaftliche Testament ziele auf eine wertmäßige Gleichbehandlung der vier Abkömmlinge ab, dabei ebenso wenig zu wie die weitere Erwägung, die tatsächlich schon bei der Errichtung bestehenden und bekannten Wertunterschiede seien von der Erblasserin erst nachträglich erkannt worden. Dass es beiden Eheleuten seinerzeit nicht in erster Linie auf die wirtschaftlich gleichwertige Behandlung ihrer vier Kinder ankam, und dass ihnen die unterschiedlichen Wertverhältnisse der Grundstücke bewusst waren, wird bereits in der Formulierung des Grundstücksvermächtnisses deutlich. Dass den Beklagten in Kenntnis der ´kostenlosen´ Überlassung von Baugrundstücken an den Kläger und dessen Bruder ausdrücklich – nur – die ´künftig bebaubaren´ Grundstücke zugewandt wurden, zeigt, dass schon damals – nur – die Erwartung bestand, dass diese Grundstücke eines Tages Bauland würden; hieran hat sich in der Folgezeit – unstreitig – nichts geändert. Auch mangels eines sonstigen billigenswerten Eigeninteresses der Erblasserin liegt bei dieser Sachlage kein Grund vor, der die Schenkung bei Abwägung ihrer Bindung an das Testament einerseits und der Gründe für die Benachteiligung des Klägers andererseits rechtfertigen könnte; vielmehr steht danach fest, dass die Erblasserin das ihr verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen dadurch missbraucht hat, dass sie nennenswertes Vermögen ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an die Beklagten weggeschenkt hat.
2.
Liegt infolgedessen in den Zuwendungen an die Beklagten eine von der Erblasserin in Beeinträchtigungsabsicht vollzogene gemischte Schenkung, so kann der Kläger, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, jetzt von dem Beklagten gemäß § 2287 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 818 ff. BGB) fordern.“