Anspruch auf Rückzahlung einer Reservierungsgebühr bei Nichtstandekommen eines Kaufvertrages über ein Grundstück
Das Landgericht (LG) Köln hatte darüber zu entscheiden, ob der Interessent eines Grundstücks (= Kläger) von den Beklagten eine von ihm an die Beklagten gezahlte Reservierungsgebühr zurückverlangen kann, wenn der Kauf über ein Grundstück nicht zustande gekommen ist (LG Köln, Urt. v. 26.08.2021 – 2 O 292/19). Das LG bejaht den Rückzahlungsanspruch. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beklagten die Reservierungsgebühr in Höhe von 10.000,00 EUR rechtsgrundlos erlangt haben und daher zurückzahlen müssen.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Die Beklagten haben durch die Leistung des Klägers die Reservierungsgebühr in Höhe von 10.000 EUR ohne Rechtsgrund erlangt.
Die von den Parteien unterzeichnete Reservierungsvereinbarung ist gemäß §§ 125 Satz 1, 311b Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Formnichtigkeit unwirksam, da keine notarielle Beurkundung erfolgte.
Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, der notariellen Beurkundung. Grundsätzlich bedarf die Verpflichtung zur Nichtveräußerung oder des Nichterwerbs keiner Form. Allerdings ist sie beurkundungsbedürftig, wenn sie gleichsam nur die Kehrseite der positiven Verpflichtung darstellt, das Grundstück an den Vertragspartner zu verkaufen (Ludwig in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, Aufl 9, § 311b BGB Rn 90). Die Beurkundungspflicht erstreckt sich auf die Gesamtheit der Verträge und Vereinbarungen, sofern eine rechtliche Einheit vorliegt (Jauernig/Mansel, BGB, Aufl 17, § 125 Rn 7f).
Dabei ist der Parteiwille maßgeblich, dass die Verträge nicht für sich alleine gelten, sondern miteinander „stehen und fallen“ sollen (Palandt-Grüneberg, aaO, § 311b, Rn 2). Ein Kaufvertrag über eine Immobilie und eine in diesem Zusammenhang geschlossene Reservierungsvereinbarung bilden eine solche rechtliche Einheit, da diese Vereinbarung zum Zwecke eines späteren Kaufvertrags geschlossen wird (AG München, Urt. v. 1. Juli 2016 – 191 C 28518/15). Der Kläger und die Beklagten hatten bei Abschluss der Reservierungsvereinbarung die Absicht, einen späteren Kaufvertrag zu schließen.
Soweit die Beklagten meinen, eine rechtliche Einheit fehle, da die Verpflichtung aus der Reservierungsvereinbarung auch und gerade dann gelte, wenn der Kaufvertrag nicht zustande komme, wählen sie den falschen Ansatz. Es geht nicht darum, ob aus beiden Geschäften gleichlaufende Leistungsverpflichtungen entstehen, sondern darum, ob die Geschäfte miteinander verknüpft sind. Dies sind sie vorliegend gerade deswegen, weil das Nichtzustandekommen des Kaufvertrags nach dem Willen der Parteien dazu führen sollte, dass die Beklagten die Leistung des Klägers aus der Reservierungsvereinbarung behalten dürfen.
Ein Formbedürfnis liegt vor, wenn Vereinbarungen getroffen werden, die für den Fall der Nichtveräußerung oder des Nichterwerbs ins Gewicht fallende Nachteile vorsehen und so einen Druck oder Zwang begründen, wobei ein mittelbarer Zwang genügt.
Eine Reservierungsgebühr löst einen solchen Zwang aus, wenn diese 10% einer üblichen Maklerprovision überschreitet oder ein unangemessener Druck vorliegt, der absolut bei 5.000 EUR oder relativ bei 0,3% des Kaufpreises liegt (Ludwig in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 311b BGB Rn. 112; AG Dortmund, Urt. v. 21.8.2018 – 426 C 3166/18). Der Formzwang gilt somit auch für einen Vertrag, mit dem über die Vereinbarung eines empfindlichen Nachteils ein mittelbarer Zwang ausgeübt werden soll, Immobilien zu erwerben oder zu veräußern.
Die vom Kläger geleistete Reservierungsgebühr von 10.000 EUR übersteigt sogar 20% der üblichen Maklerprovision, die 4,02% des Kaufpreises beträgt (K 10, Bl 22), vorliegend also 48.240 €.
Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt der Maßstab von 10 % der Maklerprovision nicht nur für Maklerfälle, sondern auch für alle anderen. Es handelt sich um einen allgemeingültigen Bemessungsmaßstab für unangemessenen Druck.
Soweit der Beklagte zu 1 meint, ein unangemessener Druck sei auf den Kläger nicht ausgeübt worden, denn dieser habe es in der Hand gehabt, die Reservierungssumme später sogar als Anzahlung auf den Kaufpreis rückvergütet zu erhalten, widerlegt er sich selbst. Gerade in der Aussicht, die gezahlte Summe – je nach eigenem Verhalten – rückvergütet zu erhalten oder nutzlos aufgewandt zu haben, liegt der Druck.
Die Reservierungsvereinbarung hätte mithin notariell beurkundet werden müssen, da gesetzliche Formvorschriften und deren Rechtsfolgen für die Parteien nicht disponibel sind und die Rechtssicherheit nicht ausgehöhlt werden darf. Wenn Vorverträge über die Veräußerung oder den Erwerb von Grundstücken formfrei möglich wären, dann würde die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB praktisch wirkungslos sein (BGH NJW 1969, 1169; Altmeppen NJW 2006, 3761; Grziwotz in: Erman, BGB, Aufl 16, § 311b BGB, Rn 63 f).
Der Formmangel ist auch nicht nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt, da es wegen des gescheiterten Verkaufs zu keiner Auflassung und Eintragung ins Grundbuch kam.“